Der Weg in die Dunkelheit 2: Die Wächterin
ausstreckte. Ich kniff die Augen zu und versuchte, den Ort in mir zu finden, der imstande war, auf die Magie zurückzugreifen. Ich malte mir aus, wie ich mich öffnete und sie willkommen hieß, wie ich es im Bindungstempel getan hatte. Ich hatte das schon einmal gemacht; ich konnte es wieder tun. Besonders, wenn Constance in Gefahr war.
Und doch schleuderte mich die schiere Kraft der Magie, als ich die Verbindung endlich herstellen konnte, quer durch den Raum. Die Tafel zerbrach mit einem Knacken, als ich gegen die Wand prallte, und ich rutschte zu Boden, während der staubige Schiefer um mich herum herabregnete.
Kapitel 17
Ich hörte Constances Aufschrei, als die Magie ihren Höhepunkt erreichte, und dann – welch ein Segen! – Lucs Stimme.
» Kümmere du dich darum«, blaffte er. Eine andere Stimme setzte zu einem Sprechgesang an, beruhigenden Tönen, die wie das Rauschen des Windes im Laub klangen.
» Mouse?« Ich spürte, wie er sich neben mich hockte und meine Hand ergriff. » Geht es dir gut?«
» Constance ist wütend geworden«, stieß ich hervor. » Ist sie …«
» Ihr geht es gut.«
» Düsterlinge?«
» Wir sind früh genug hergekommen, um das zu verhindern. Aber wenn ihr es euch weiter zur Gewohnheit macht, rohe Magie durch die Schule strömen zu lassen, werden sie unweigerlich irgendwann darauf aufmerksam werden.« Er strich mir das Haar zurück und suchte mit sanften, geschmeidigen Fingern nach Verletzungen. Die Energie ebbte ab und zog sich in die Linien zurück, während der Gesang sich fortsetzte. Luc betastete eine schmerzende Stelle an meinem Hinterkopf. » Lass mich das in Ordnung bringen.«
Ich nickte, da ich mich zu elend fühlte, um zu sprechen. Er schloss eine Hand um mein Handgelenk und ließ die andere über meinen Rücken gleiten, so dass prickelnde Wärme den Schmerz verscheuchte. Der Raum verblasste, und alles, was ich noch wahrnahm, waren Lucs Berührung und seine Stimme, die fremdartig und seidig den Zauber wirkte. Bevor seine Hand sich zu tief nach unten verirren konnte, öffnete ich die Augen und zog mich zurück. » Es geht mir besser. Danke.«
Auf der anderen Seite des Raums kümmerte sich ein vertrautes Gesicht um Constance, die verstört dreinblickte.
» Niobe ist hier?« Ich umklammerte Lucs Arm. Als ich Niobe in einer Bar für Bögen das letzte Mal gesehen hatte, waren Luc und ich nur knapp einem Anschlag auf mein Leben entgangen – einem Anschlag, zu dessen Verhinderung Niobe keinen Finger gerührt hatte.
» Du hast um eine Mentorin für das Mädchen gebeten, nicht wahr? Orla hat mich geschickt.« Niobe musterte uns neugierig. » Spielst du den weißen Ritter, Luc? Ist das angesichts der Umstände wirklich ratsam?«
Er lehnte sich gegen die Wand aus Schlackebetonsteinen und bedachte sie mit einem warnenden Blick. » Was für eine Art Gefährte wäre ich wohl, wenn ich zuließe, dass sie verletzt bleibt?«
» Ein vernünftiger«, sagte Niobe. Sie war nicht viel älter als wir, wahrscheinlich Mitte zwanzig, mit zimtfarbener Haut und kurz geschnittenem Haar, das ihre anmutigen Wangenknochen betonte. Der Ausdruck ihrer dunklen, mandelförmigen Augen wechselte ständig zwischen Verachtung und Erheiterung. Sie sorgte dafür, dass ich mich unansehnlich und kindisch fühlte, besonders, da ich immer noch in meiner Schuluniform auf dem Boden saß.
Ich kämpfte mich auf die Beine, während Luc den Blick durch das Klassenzimmer schweifen ließ. Stühle waren umgefallen, die Tafel zerstört, Zettel von den schwarzen Brettern gerissen. Ein Modell des Eiffelturms aus Zahnstochern war so zerschmettert, dass es nicht mehr zu reparieren war. Er rieb sich mit einer Hand den Kopf. » Was ist passiert?«
» Erinnerst du dich, wie du gesagt hast, dass du nicht gern dabei wärst, wenn Constance eine Linie anzapft, ohne jegliche Kontrolle zu haben? Du hattest recht.«
Er grinste, aber es war nur ein schwacher Abglanz seines üblichen frechen Lächelns. » Ich habe immer recht. Du musst sie ja stinksauer gemacht haben.«
Nach ihrem Gesichtsausdruck zu urteilen hatte sich daran in den letzten paar Minuten auch nichts geändert. Ich rückte näher an Luc heran, so dass uns nur noch ein paar Zentimeter trennten, und hielt die Stimme gesenkt. » Sie hat nach Evangeline gefragt.«
Er fluchte unterdrückt.
» Ich habe es ihr nicht gesagt.«
Die Heiterkeit ließ seine Züge weicher erscheinen. » Du? Du hast jemanden angelogen? War das bevor oder nachdem du zusammengeschlagen worden
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