Der Weg in die Dunkelheit 2: Die Wächterin
unbeaufsichtigt lassen würden? Sieh es als Kollateralschaden an.«
» Wir stehen nicht im Krieg«, entgegnete ich.
» Nicht alle glauben, dass die Seraphim sich neu formieren. Aber wenn die Gerüchte zutreffen, dann kannst du Gift darauf nehmen, dass sie tun werden, was sie können, um die Quartoren zu stürzen. Wie würdest du das bezeichnen, wenn nicht als Krieg?«
Ich antwortete nicht.
» Hey!« Constance stampfte mit funkelnden Augen mit dem Fuß auf. » Miss Turner und eure blöden Quartiere sind mir egal! Mich interessiert nur, was gerade passiert ist. Dieser Raum ist ruiniert. Wie wollt ihr das Schwester Donna und Pater Armando erklären?«
Niobe drehte sich angewidert um. » Es ist kaum zu glauben, dass du tatsächlich von den Leuten abstammst, die deine Vorfahren sind, und doch so wenig weißt.«
Luc trat vor und reparierte mit wenigen Worten den Tisch. Niobes Zauberspruch setzte den Eiffelturm aus Zahnstochern wieder zusammen und brachte die Lampen wieder an, so dass mir der Kopf vor Magie schwirrte. Sie arbeiteten perfekt zusammen, stimmten wortlos ihre Bewegungen aufeinander ab, und irgendetwas in mir zwickte bei dem Anblick unangenehm. Ich musterte also stattdessen lieber Constance. Hatte ich wie sie dreingesehen, als ich zum ersten Mal Zeugin von Magie geworden war? Hatte ich die Augen auch so erschrocken weit aufgerissen? Vielleicht, aber der Hunger in ihrem Gesicht wirkte gieriger als alles, was ich je empfunden hatte. Als die verstreuten Papiere sich wieder zu ordentlichen Stapeln zusammenfügten, wobei die einzelnen Zettel wie Möwen durch die Luft schossen, griff Constance nach einem und war endlich überzeugt. Lucs und Niobes Taten waren ein besserer Beweis als meine Worte.
» Komm«, sagte Niobe zu ihr, als sie fertig waren, und Luc machte eine Bewegung, als wollte er sie wegscheuchen. Constance folgte Niobe und blieb nur noch einmal stehen, um uns einen äußerst hasserfüllten Blick zuzuwerfen.
Ich ließ mich gegen einen Tisch sinken. Ich hatte vor den anderen nicht schwach wirken wollen, aber meine Kopfschmerzen waren schlagartig zurückgekehrt, und schwarze Pünktchen ließen alles vor meinen Augen verschwimmen. Ich blinzelte sie weg.
» Geht es dir gut?«, fragte Luc und stellte sich neben mich.
» Ja. Ich bin bloß etwas geschafft.« Ich war mir allerdings nicht ganz sicher. Jedes Mal, wenn ich es mit der Magie zu tun bekam, wurden die Schmerzen heftiger. So war es vor der Sturzflut nicht gewesen; ich hatte es zwar verabscheut, ins Dazwischen zu gehen, aber es hatte mir nicht geschadet. Ich begann mir Sorgen zu machen, dass das, was die Magie beschädigt hatte, auch mich verletzt hatte.
» Ich könnte dich noch einmal heilen.«
» Niobe hat gesagt, es sei riskant. Was hat sie damit gemeint?«
Er setzte sich auf die Tischkante, ließ ein langes Bein baumeln und sagte: » Niobe ist nun mal kratzbürstig. Sie ist am glücklichsten, wenn sie andere nervös machen kann.«
» Luc, sie hat doch eindeutig auf irgendetwas angespielt!«
Er verlagerte sein Gewicht. » Es war nur eine kleine Stichelei. Sie wollte darauf hinaus, dass ich zu befangen darin bin, mir Gedanken um dich zu machen. Das sieht sie nicht gern, da du doch eine Flache bist.«
Ich musterte ihn mit zusammengekniffenen Augen. » Das ist alles?«
Er streckte die Hand aus und legte sie auf das Schulwappen, mit dem mein Pullover bestickt war. » Hand aufs Herz, Mouse.«
Der Moment schien zugleich mit meinem Atem zu stocken und durch die Zeit zu taumeln. » Das ist schlecht …«, sagte ich schließlich.
Er zog eine Augenbraue hoch und hakte den Finger in meinen V-Ausschnitt. » Bei allem Respekt, da kann ich dir nicht zustimmen.«
» Ich meine es ernst. Was, wenn jemand uns gesehen hätte? Was, wenn die Düsterlinge gekommen wären? Die Magie ist gefährlich, Luc. Ich kann nicht zulassen, dass sie in mein echtes Leben hinüberwechselt.«
» Wir sind so echt wie nur irgendetwas hier. Oder irgendjemand. Und wenn es dir widerstrebt, dass wir in deine Welt kommen, dann nimm deinen Platz in unserer ein.« Ich wollte widersprechen, aber er schnitt mir das Wort ab. » Die Quartoren haben ihren Teil des Handels eingehalten. Nun erwarten sie von dir, das Gleiche zu tun.«
Ich sah mich in dem Raum um, den er so mühelos repariert hatte, und wusste, dass er recht hatte. Je länger ich dagegen ankämpfte, desto größer würde der Schaden sein.
» Ich bin bereit«, sagte ich. Aber ich wusste, dass es keine Möglichkeit gab,
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