Der Weg in die Dunkelheit 2: Die Wächterin
geschehen ist. In gewisser Weise.«
Ich war einmal die Empfängerin einer solchen Erklärung gewesen, die Luc mir geliefert hatte. Aber ich hatte ihm nicht geglaubt, obwohl ich zuvor erlebt hatte, wie er gegen Monster gekämpft und mich binnen eines Herzschlags von Chicago nach New Orleans gebracht hatte. Wie sollte ich Constance überzeugen – nicht nur davon, dass die Magie existierte, sondern auch davon, dass sie darauf zurückgreifen konnte? Es war ja nicht so, dass ich ihr die Magie hätte vorführen können.
Ich warf einen Blick in ein nahes Klassenzimmer. Französische Verben waren ordentlich an der Tafel konjugiert, und verschiedene Poster mit dem Eiffelturm und dem Arc de Triomphe zierten die Wände, aber es war niemand im Raum. Ich öffnete die Tür ganz und bedeutete Constance, mir zu folgen.
Sobald wir in dem Klassenraum waren, schloss ich die Tür und trat vom Fenster weg an die Rückwand. Das Letzte, was wir gebrauchen konnten, war, dass jemand uns jetzt störte. » Sag mir, woran du dich erinnerst.«
Sie scharrte mit dem Schuh auf dem Linoleum herum. » Ich habe mich nicht gut gefühlt. Meine Biolehrerin hat mich zur Krankenschwester geschickt, aber ich dachte nicht, dass ich es schaffen würde. Und dann wurde alles … verrückt … all die Lichter und Geräusche. Es war, als würde ich in einem Tornado stehen, verstehst du? So, als ob alles direkt um mich herum passieren würde, und ich dachte, ich würde geradewegs aus meiner Haut heraus explodieren.« Ihre Augen blickten ins Leere, als sie versuchte, sich an mehr zu erinnern. » Ich bin ohnmächtig geworden. Du warst da, und diese Lena … und ein Mann. Vielleicht der Hausmeister?«
Ich lachte beinahe, weil ich mir vorstellte, was Luc für ein Gesicht gemacht hätte, wenn er hätte hören können, dass jemand ihn mit einem Hausmeister verwechselte. Constance sah mich stirnrunzelnd an.
» Er ist ein Freund«, sagte ich.
Sie wirkte skeptisch, fuhr aber fort: » Ich habe geträumt, wir wären irgendwo hingegangen, und er hätte den Tornado zum Erliegen gebracht, und es hätte nicht mehr wehgetan. Als ich dann aufgewacht bin, war ich zu Hause.«
» Es war kein Traum. Nichts davon.«
Sie schwieg kurz, und als sie dann sprach, triefte ihre Stimme vor Verachtung: » Natürlich.«
Ich holte Atem, spürte, wie die Zeit sich verlangsamte, wie sie es am höchsten Punkt einer Achterbahn tut, in jenem endlosen Moment, bevor man auf den Boden zurast. Nach dem, was ich jetzt sagen würde, konnte es kein Zurück mehr geben, für keine von uns beiden. » Magie.«
Constances Gesicht war einen Moment lang ausdruckslos und verzog sich dann zu einer hämischen Fratze. » Du spinnst wirklich. Viele haben ja gesagt, dass du nicht mehr alle Tassen im Schrank hast, seit Verity … Sie hatten recht.«
» Ich bin nicht verrückt«, sagte ich. » Was gestern passiert ist, war Magie. Deine Magie.«
Sie wich noch einen Schritt vor mir zurück, aber ich folgte ihr, während die Worte nur so aus mir hervorsprudelten. » Verity hat auch darüber verfügt. Man hat ihre Mörder nicht gefasst, weil die Wesen, die sie getötet haben, keine Menschen waren, sondern Monster. Echte Monster.«
» Du bist wahnsinnig.« Aber sie zögerte eine Sekunde, bevor sie es sagte – ein Riss in der Mauer ihres Unglaubens. » Du verrennst dich in Wahnvorstellungen oder so etwas, weil du dich schuldig fühlst!«
Ich schloss die Finger um die Narbe, die quer über meine Handfläche verlief. » Ich wünschte, das täte ich. Aber die Magie ist echt. Ich habe sie gesehen. Ich habe sie gespürt.«
Sie schnaubte verächtlich. » Oh, bist du etwa auch magisch? Sind wir Feen? Hast du vielleicht einen Zauberstab?«
» Ich habe keinerlei magische Kräfte. So etwas liegt in der Familie.«
» Es gibt keine Magie, du Spinnerin! Und glaub mir, meine Eltern können nicht zaubern.«
Ihre Mutter und ihr Vater verfügten nicht über Magie. Sie waren ganz wunderschön normal. » Nicht deine Eltern. Aber Verity.« Ich hielt inne. » Evangeline hat sie darin ausgebildet.«
Sie schüttelte den Kopf so schnell, dass ich wusste, dass ihre Furcht mittlerweile stärker war als ihr Leugnen, obwohl sie sie zu zügeln versuchte. » Großtante Evangeline? Du bist doch wirklich nicht mehr bei Trost! Sie ist keine Hexe. Sie ist in ihren blöden Antiquitätenladen zurückgekehrt, das ist alles. Sie kann nicht zaubern, und wir sind ihr egal.«
Letzteres traf zu, aber es schien mir kein günstiger Zeitpunkt zu
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