Der Weg in die Dunkelheit 2: Die Wächterin
hatte.
Er ließ sich ebenfalls nieder, beugte sich vor und fuchtelte mir mit dem Finger vor der Nase herum, als ob er mich ausschimpfen würde. » Alles, was wir von dir verlangt haben, war, dass du deinen Teil dazu beiträgst, unser Viertel sicherer zu machen. Eine Lebensweise zu schützen, die dir und jedem, den du kennst, seit Jahren zugutekommt. Wir haben dich um eine einzige Kleinigkeit gebeten, und du hast versagt.«
» Du hast von mir verlangt, die Polizei zu belügen. Ich hätte im Gefängnis landen können.«
» Unsinn. So weit wäre es nie gekommen.«
» Hast du das auch meinem Vater erzählt?«
» Dein Vater wusste ganz genau, was er tat.« Er lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. » Und angesichts des geringen Interesses, das du im Laufe der Jahre an dem Mann gezeigt hast, hast du jetzt wohl kaum einen Grund, die empörte Tochter zu spielen.«
» Das tue ich nicht.«
» Das ist immerhin etwas. Marco Forelli ist auf dich aufmerksam geworden. Du schwebst in großer Gefahr.«
» Er macht mir keine Angst«, sagte ich und versuchte, mich nicht an das Foto von Luc und mir zu erinnern, wie wir uns auf der Vordertreppe geküsst hatten. Oder an Colins Gesichtsausdruck, als er es gesehen hatte.
» Das sollte er aber. Aber jetzt sag schon, was dich heute hergeführt hat. Ich bezweifle, dass du nur hier bist, um Hallo zu sagen.«
» Ich will wissen, was du gegen Colin in der Hand hast.« Ich umklammerte die Kante meines Sitzes. » Es muss etwas Großes sein. Irgendeine Information über seine Vergangenheit, und du setzt ihn auf diese Weise unter Druck, damit er tut, was du willst.«
Billy zuckte mit den Schultern. » Es steht Donnelly frei, jederzeit seine Arbeit für mich aufzugeben, wenn er möchte. Er bleibt freiwillig.«
» Warum?«
» Aus Loyalität.« Er warf mir einen säuerlichen Blick zu. » Das ist heutzutage ein seltenes Gut. Die bessere Frage ist doch, was dich das alles angeht?«
Ich blieb absolut still, während er mich prüfend musterte.
Seine Augen blitzten amüsiert auf. » Du bist verliebt in Donnelly?« Hitze durchflutete meine Wangen, und Billy lachte leise. » Du bist ein süßes Mädchen, aber er kommt nicht infrage. Du wirst dich nur selbst in Verlegenheit bringen.«
Das hatte ich ohnehin schon getan. » Ich bin nicht verliebt in ihn. Ich bin bloß … neugierig.«
» Aha. Du weißt doch, was man über Neugier und Katzen sagt, nicht wahr?«
Der Boden, auf dem ich mich bewegte, fühlte sich plötzlich trügerisch wie ein Sumpf an. » Er ist ein netter Kerl.«
» Das ist er wirklich. Aber der Ort, von dem er stammt, ist schwärzer als Pech. Lass ihn in Ruhe.«
» Warum? Was könnte denn so schlimm sein?«
Billys Gesicht wurde hart. » Mehr, als du dir vorstellen kannst. Mehr, als irgendjemand sich vorstellen können sollte. Finde jemand anderen, von dem du träumen kannst, Maura Kathleen. Donnelly wird dich nie auf die Art ansehen.«
» Auf welche Art?«
Er malte ein Oval in die Luft, als würde er die Umrisse meines Gesichts nachzeichnen. » Auf die Art. Und sieh doch jetzt nicht so enttäuscht drein! Der Mann wäre vor dem nächsten Sonnenaufgang tot, wenn er dich anrühren würde, und das weiß er auch. Er riskiert sein Leben, um dich zu beschützen, aber sein Leben ist nicht das einzige, auf das es ihm ankommt.« Er stand auf. » Du solltest eigentlich zu Hause sein, wenn ich mich nicht irre. Du hast deiner Mutter in letzter Zeit genug Schwierigkeiten gemacht. Rechtzeitig zum Abendessen zu kommen wäre noch das Mindeste, was du tun könntest.«
Ich ließ mich hinter dem Tisch hervorgleiten. Im Vergleich zu allem anderen, was er gesagt hatte, traf mich die Art, wie er mich hinauswarf, kaum. Billy hatte bisher in meiner Anwesenheit noch nie jemanden bedroht, aber er hatte so beiläufig davon gesprochen, Colin zu töten, als sei das kein wichtigerer Eintrag in seinem Terminkalender als das Abholen der Wäsche aus der Reinigung. Mir drehte sich bei dem Gedanken der Magen um, dass ich Colin womöglich in Gefahr gebracht hätte, nur weil ich auf einen Ball hatte gehen wollen. Mein Gott, wie oberflächlich konnte ich bloß sein?
Und dann wurde mir der zweite Teil seiner Aussage bewusst: Sein Leben ist nicht das einzige, auf das es ihm ankommt. Wessen Leben dann? Meines? Mein Onkel war intrigant und machthungrig, aber er hätte mir nie etwas getan. Das war eines der ganz wenigen Dinge, von denen ich überzeugt war, was meinen Onkel betraf – die
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