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Der Weg in die Dunkelheit 2: Die Wächterin

Der Weg in die Dunkelheit 2: Die Wächterin

Titel: Der Weg in die Dunkelheit 2: Die Wächterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erika O'Rourke
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selbst den vernünftigsten Verstand auf Abwege führen.
    Also tat ich es.
    Man konnte wahrnehmen, in welcher Sekunde man vom Slice ins Morgan’s überwechselte. Das warme, zuckrige Aroma perfekt gebräunter Kuchenkruste wich dem Hefegestank von Bier und dem scharfen Geruch von reichlich verschüttetem Whiskey. Niemand beschwerte sich je, dass die Getränke im Morgan’s verwässert wären, größtenteils, weil dort wenig serviert wurde, was überhaupt gemischt werden musste.
    Ich hielt inne. Über den üblichen Geräuschpegel der Bar hinweg – den Sportsender ESPN , Gläserklirren, harmlose Streitereien, wie Ford sich im Vergleich zu Chevrolet machte – war Billys Stimme zu hören, die sich hob und senkte. Ich konnte mir seine Hände vorstellen, die herumfuchtelten, um das Argument, das er vorbrachte, oder die Geschichte, die er einem weismachen wollte, zu unterstreichen. In gewissen Abständen sagte eine zweite Stimme dumpf und schleppend ein paar Worte, dann legte Billy wieder los. Ich öffnete die Tür einen Spaltbreit. Die Angeln quietschten, und die Stimmen verstummten.
    So viel zum Thema Heimlichkeit. Ich stieß die Tür weit auf und spazierte hinein, wobei ich mich bemühte, ganz lässig zu wirken.
    » Na, das ist aber eine Überraschung«, rief mein Onkel. Er lächelte herzlich, aber seine Augen hatten sich zu Schlitzen verengt. » Meine Nichte«, sagte er zu dem Mann, der ihm gegenübersaß.
    Sie hatten die Plätze getauscht. Billy saß immer am hintersten Tisch, der Vordertür zugewandt. Jeder, der um eine Audienz bei ihm ersuchte, musste erst zu ihm geführt werden und saß dann mit dem Rücken zur Bar, während mein Onkel sein Reich im Auge behielt.
    Aber jetzt saß Billy auf dem Besucherplatz.
    » Warte vorn«, wies er mich an. » Lass dir von Charlie eine Cola holen, ich bin gleich fertig.«
    » Mo, nicht wahr?« Der andere Mann stand auf und schüttelte mir die Hand. Er warf einen Blick in den Raum, aus dem ich gerade gekommen war. » Wo steckt Donnelly?«
    Billy zuckte mit den Schultern. » Er kommt nicht immer herein. Hier ist das nicht nötig.«
    » Marco Forelli«, sagte der Mann, der meine Hand immer noch festhielt, und sah mich wieder an. » Du bist sogar noch hübscher als auf den Fotos.«
    » Danke«, erwiderte ich verunsichert und beobachtete, wie Billys Gesicht sich innerhalb eines Atemzugs verdüsterte und wieder heiter wurde.
    Marco Forelli redete nicht von meinem neuesten Schulfoto. Er meinte die Bilder, die jemand Anfang dieses Herbstes aufgenommen und mir dann als Warnung geschickt hatte – wir können dich kriegen. Meine Haut fühlte sich an, als ob hundert Käfer darauf umherwimmelten, und ich entzog ihm meine Hand.
    Er warf einen Blick zu meinem Onkel hinüber. » Sie sieht Jack ähnlich. Es liegt an den Augen, denke ich. Auch am Mund. Billy sagt, du hättest viel mit deinem Alten gemeinsam.«
    Ich verschränkte die Arme vor der Brust. » Das wäre mir neu.«
    » Ja, es ist eine Weile her, nicht wahr? Du musst aufgeregt sein, dass er so bald wieder nach Hause kommt.«
    » Begeistert.«
    » Na ja, wir freuen uns alle darauf, ihn wiederzusehen.« Er streckte die Hand aus und zerzauste mir das Haar. Ich konnte mich kaum davon abhalten, ihn anzuzischen. » Ich gehe jetzt wohl besser. Es war nett, dich kennenzulernen, Mo. Wir begegnen uns sicher bald wieder.«
    Ich wagte es nicht, etwas zu erwidern.
    Billy brachte Forelli zur Tür. Als er zurückkam, war seine flinke, nervöse Geschäftigkeit etwas unendlich Destruktiverem gewichen – Zorn, der unmittelbar auf mich gerichtet war.
    » Weißt du, wer das war?«
    » Marco Forelli?« Der Name sagte mir nichts, aber ich war mir ziemlich sicher, dass er es hätte tun sollen.
    » Ja, Marco Forelli! Mit dem ist nicht zu spaßen.«
    » Ich habe nicht mit ihm gespaßt«, protestierte ich. Aber Billys Wut war mit aufrichtiger Angst durchsetzt, und die war ansteckend.
    » Der Mann verdient deinen Respekt, und du hast ihn wie einen Vertretungslehrer behandelt mit deiner Frechheit und deinen bissigen Bemerkungen.«
    Ich drängte die Furcht zurück. » Der Kerl hat Bilder von mir aufgenommen. Um mir Angst zu machen. Da findest du, dass ich ihn respektieren sollte? Meinst du nicht eher, dass ich ihm in den Arsch kriechen soll?«
    Billys Mund bewegte sich einen Moment lang in wortloser Empörung. Er deutete auf den Tisch in der Nische. » Setz. Dich. Hin.«
    Das tat ich, nicht, weil er es mir befahl, sondern weil ich noch immer Fragen zu stellen

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