Der Weg in die Dunkelheit 3: Die Schöpferin (German Edition)
keine Reue, weil ich mit schrecklicher, dumpfer Gewissheit wusste, dass ich das Richtige getan hatte. Aber so hätte es nicht sein sollen. Wenn man jemanden liebte, dann sollte das doch alle Hindernisse aus dem Weg räumen und einem die Kraft verleihen, sämtliche Schwierigkeiten zu überwinden, die man hatte, einen besser, stärker und wahrhaftiger machen. Colin hatte mich gedrängt, meine Stimme zu finden, mein Leben selbst in die Hand zu nehmen und meinen eigenen Weg zu gehen– und dieser Weg hatte mich von ihm weggeführt. Vielleicht hätte meine Englischlehrerin das als Ironie bezeichnet. Ich nannte es unfair.
Ich stieß die Schwingtür zur Küche auf.
Normalerweise wartete Ekomow, bis ich begonnen hatte, die Lieferung vom Karren abzuladen, bevor er hereinkam, aber heute stand er mit schwer hängenden Gesichtsfalten an der Theke und hatte die altersfleckigen Hände um den Knauf seines Gehstocks gelegt. Er war immer schon alt gewesen– älter als Billy, älter als Orla–, aber ich hatte nie fälschlich angenommen, dass er gebrechlich oder hilflos wäre. Nur gefährlich. Die höflichen Gesten, die Hilfsangebote– sie waren eine milde Gabe. Er konnte es sich leisten, großzügig mit mir zu sein, weil er wusste, dass ich in der Falle saß.
Aber heute war er nur alt, und sein Gesichtsausdruck war unverkennbar alles andere als großzügig.
» Du kommst zu spät«, sagte er.
» Es ist heute Nachmittag viel los«, erwiderte ich und begann, die Kuchen auf die Theke zu stellen und die Schachteln ordentlich aufzureihen, um mich zu beruhigen.
» Ich fand es immer… seltsam, dass du bereit warst, deinen Onkel zu hintergehen– dass du so wenig Wert auf deine Familie legst.«
Ich dachte an das, was Colin gesagt hatte: dass mein Vater sich Billy wieder angeschlossen hätte, weil er mich als Insider beschützen wollte. Daran, wie meine Mutter ihre Träume und ihren Mann aufgegeben hatte, um mir eine solide Zukunft zu sichern. Billy ins Gefängnis zu bringen war das Beste, was ich für meine Familie und für die Donnellys tun konnte. Aber Ekomow musterte mich aufmerksam, und so hielt ich meinen Gesichtsausdruck neutral.
» Mein Onkel hält nicht viel von mir«, sagte ich und versuchte, lässig zu wirken, obwohl meine Nerven immer angespannter wurden. Geh, schien die Magie mich zu drängen, indem sie mir das Bild einer Maus schickte, die über ein offenes Feld huschte, über dem ein Adler schwebte, bereit zum Herabstoßen. Geh sofort.
» Er schickt dich her. Das heißt, dass er sehr viel von dir hält.«
» Weil ich Kuchen liefere?« Ich ließ einen Unterton von Gereiztheit in meine Stimme einfließen, stapelte die letzten weißen Pappschachteln auf und steckte wie üblich den Umschlag mit der Bezahlung ein. » Er weiß ja noch nicht einmal, dass Sie hier sind.«
» Ach, meine liebe Mo. Ich wünschte, das wäre wahr.« Er klang aufrichtig betrübt. » Um unser beider willen.«
Ich schob mich Stück für Stück auf die Tür zu, die in Richtung Eingangshalle führte. Ich musste entkommen. Etwas Zeit gewinnen. » Hier«, sagte ich und warf den USB -Stick auf die Theke. » Ich habe Ihnen das hier mitgebracht. Daten vom Bürocomputer. Ich habe sie kopiert, während die Polizei meinem Vater auf die Pelle gerückt ist.«
Meinem Vater, der nicht gewollt hatte, dass ich herkam. Mittlerweile vermutete ich, dass er recht gehabt hatte.
» Du solltest eigentlich früher kommen«, sagte Ekomow erneut.
» Tut mir leid. Es war ein schlimmer Tag.« Ich verknotete die Finger ineinander und warf einen Blick zur Tür hinüber. » Ich hoffe, ich habe Ihnen nicht die Zeit gestohlen.«
Er hob die Schultern und ließ sie dann schwer wieder fallen. » Wir haben gewartet. Ich habe vieles gehört, was ich sonst nie erfahren hätte.«
» Toll.« Ich zischte, als ich mir die Hüfte an der Schrankecke stieß. » Wie ich schon sagte, auf dem USB -Stick sind… Warten Sie mal. Wir? «
» Wir«, sagte er. » Ich habe nicht allein gewartet.«
Die weiter entfernte Tür, die in den Speisesaal führte, schwang auf.
» Hallo, Mo.« Anton lächelte so sonnig wie ein Frühlingsmorgen.
Kapitel 33
Mir stand vor Erstaunen der Mund offen, aber ich bekam dennoch kaum Luft. » Du?«
» Überraschung«, sagte Anton mit kaum verhohlener Schadenfreude.
» Mr. Ekomow«, sagte ich, » dieser Mann… ich weiß nicht, was er Ihnen versprochen hat, aber er ist gefährlich. Sie können ihm nicht vertrauen. Glauben Sie mir, wenn ich Ihnen sage, dass Sie
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