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Der Weg in die Dunkelheit 3: Die Schöpferin (German Edition)

Der Weg in die Dunkelheit 3: Die Schöpferin (German Edition)

Titel: Der Weg in die Dunkelheit 3: Die Schöpferin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erica O'Rourke
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er. » Zu mir, auf eine Tropeninsel, nach Paris. Und du willst in ein Altersheim!«
    Aber er brachte mich trotzdem hin.
    Da Luc uns verhüllte, war es leicht, die Flure entlangzuhuschen und Tess’ Zimmer zu suchen. Das Heim war hell und geräumig, mit frischen Blumen auf den Tischen im Flur und Aquarellen an den Wänden.
    » Du musst nicht mit reinkommen«, sagte ich. » Ich glaube, Colin würde noch mehr Gesellschaft nicht zu schätzen wissen.«
    » Das nehme ich auch nicht an.« Er tätschelte mir das Handgelenk und ging in einen Wartebereich hinüber. » Ruf mich, wenn du mich brauchst.«
    Ich straffte die Schultern, klopfte und schob dann die Tür auf, während die Magie sich nervös in mir hin und her bewegte.
    » Wir sind nicht… Oh.« Als Colin mich sah, wich die neutrale Höflichkeit auf seinem Gesicht abweisender Kälte. » Was willst du?«
    Vergebung. Eine Chance, alles zu erklären. Einen Weg nach vorn. Aber das alles erschien mir unbedeutend im Vergleich zu dem Anblick, der sich mir bot. Colin saß auf einem geblümten Sessel einem schmalen Mädchen im Rollstuhl gegenüber. Sie hatte die gleichen honigfarbenen Haare und rauchgrauen Augen wie Colin, aber statt seiner markanten Gesichtszüge ein zierlich geformtes spitzes Kinn und eine Stupsnase, so dass sie beinahe ätherisch wirkte. Sie trug ein langärmliges rosafarbenes T-Shirt und eine weiße Yogahose. Ihre Füße steckten in flauschigen Pantoffeln, die brandneu wirkten. Sie beobachtete mich aus dem Augenwinkel.
    » Ich wollte sichergehen, dass es dir gut geht.« Er schien nicht vorzuhaben, mich physisch aus dem Zimmer zu werfen, also wagte ich noch einen Schritt vorwärts.
    » Mir geht es gut, also kannst du jetzt gehen.«
    Ich ignorierte ihn und starrte wie gebannt das Mädchen vor mir an. » Hallo, Tess.«
    Sie reagierte nicht, und ich machte noch einen Schritt. » Ich bin Mo. Es ist schön, dich kennenzulernen.«
    » Sie weiß, wer du bist.«
    » Du hast ihr von mir erzählt?« Ich fragte mich, ob das gut oder schlecht war.
    Einen Moment lang wirkte er eher entnervt als zornig. » Ja. Geh einfach, okay?«
    » Mache ich. Ich wollte nur…«
    » Was? Gaffen? Noch ein bisschen herumstochern?« Seine Stimme war wie eine Peitsche, und Tess’ Finger tasteten auf ihrem Schoß umher. » Du regst sie auf.«
    » Ich bin nicht derjenige von uns, der herumschreit«, sagte ich.
    Er wandte mir den Rücken zu und redete leise auf Tess ein, während ihr Blick im Zimmer umherhuschte. Rosa Wände, ein ordentlich gemachtes Krankenhausbett, an dessen Fußende gefaltet eine hellrosafarbene Wolldecke lag. Rosafarbene Rosen standen in einer Silbervase auf dem Tisch, und die weißen Vorhänge waren aufgezogen, um den Blick auf den Hof freizugeben. In Sichtweite hing ein halb mit Sämereien gefülltes Futterhäuschen.
    » Nun?«, fragte er, ohne mich anzusehen.
    » Es ist hübsch. Sehr… rosa.«
    » Sie liebte Rosa. Rosa und Barbies und Vögel.«
    Liebte. Weil das Mädchen im Rollstuhl laut der Akte, die ich im letzten Herbst gelesen hatte, nicht mehr gesprochen hatte, seit es sechs gewesen war. Tess war seit dem Angriff katatonisch und reagierte kaum auf jemanden, noch nicht einmal auf Colin. Sie war seit zehn Jahren in sich selbst gefangen.
    Tess’ Augen wandten sich von mir zum Fenster, und ich folgte ihrem Blick. Das Fenstersims war von einer Reihe kleiner Holzfiguren gesäumt. Winzige fliegende Vögel, kunstvoll geschnitzt– jeder gehörte zu einer anderen Art. Manche waren bemalt, manche geölt oder mit Firnis überzogen. Ein paar waren völlig unbehandelt.
    » Die hast du für sie geschnitzt.«
    » Sie ist früher immer hinter den Vögeln hergelaufen. Sie ist mit Brotkrumen nach draußen gegangen und hat versucht, sie einzufangen, damit sie ihr das Fliegen beibringen.« Er warf mir einen Blick zu. » Geh nach Hause, Mo.«
    Tess’ Finger zuckten in Richtung des Fensterbretts. Sanft hob Colin eine Kolibri-Figur auf, legte sie ihr in die Handfläche und schlang ihre Finger darum. Sie säuselte ihr etwas zu, Phantasieworte, und irgendetwas in mir regte sich bei dem Klang.
    » Ich habe es nicht getan, um dich zu verletzen«, sagte ich.
    » Das habe ich auch nie angenommen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass du an mich überhaupt nicht gedacht hast.«
    » Das ist unfair.«
    » Unfair? Du stellst dich vor meine Schwester hin und redest von ›unfair‹?«
    » Nein. Es tut mir leid, Colin– was ich getan habe und was dir und deiner Familie zugestoßen ist. Es tut mir

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