Der Weg in die Dunkelheit 3: Die Schöpferin (German Edition)
vermutlich war sie das auch. Das gefiel mir durchaus an ihr. » Wir werden die Zeremonie mit der traditionellen Anrufung eröffnen, diejenigen, die sich der Prüfung unterziehen wollen, auffordern vorzutreten und sie vor dem Volk zu Kandidaten ernennen. Deine Rolle ist recht klein und beschränkt sich auf die üblichen Antworten auf die Zaubersprüche, aber ich vermute, dass die Leute auf dich achten werden. Wie ich gehört habe, hast du die nötigen Antworten eingeübt?«
Ich schwor mir, künftig viel netter zu Niobe zu sein, wenn es mir gelingen würde, die heutige Zeremonie durchzustehen, ohne einen Großteil der Anwesenden zu brüskieren. » Ich komme schon zurecht.«
Hinter mir stieß Luc ein Geräusch aus, das sich irgendwo zwischen einem Prusten und einem Husten bewegte.
Die Magier führten uns durch Aufenthaltsräume, eine Bibliothek und einen riesigen Speisesaal, bevor sie in einem gewaltigen Ballsaal stehen blieben. Die gegenüberliegende Wand bestand ganz aus Glastüren, und hinter den flirrenden Scheiben funkelten Hunderte von winzigen Lichtern wie Miniaturmonde.
Mit so leiser Stimme, dass die Quartoren nicht mithören konnten, sagte Sabine: » Die Zukunft der Marais hängt von den Entwicklungen ab, die heute Nacht ihren Anfang nehmen. Und auch deine Zukunft liegt bis zu einem gewissen Grad hier. Wir behaupten nicht, deine Verbindung zur Quelle aller Magie bis in alle Einzelheiten zu verstehen, aber uns ist bewusst, welche Macht sie dir verleiht. Bitte achte darauf, sie heute Abend um unseretwillen klug zu nutzen.«
Ich machte mir nicht die Mühe zu erklären, dass ich die Magie überhaupt nicht nutzen konnte. » Ich werde mein Bestes geben.«
Sie blickte zweifelnd drein, aber mehr konnte ich nicht versprechen. Die Magier nahmen ihre Plätze an den mittleren drei Türen ein. Luc drückte mir rasch aufmunternd die Hand und folgte dann den Quartoren zu einer anderen Tür in der gegenüberliegenden Ecke des Raums. Sie huschten nach draußen und ließen mich mit den drei Wasserbögen allein.
Auf ein unsichtbares Signal hin öffneten sich die Türen, und die Magier traten gleichzeitig hindurch. Ich folgte Sabine durch die mittlere Tür.
Der Anblick draußen hätte beinahe ausgereicht, mich im Laufschritt wieder ins Gebäude flüchten zu lassen. Auf der gesamten Rasenfläche drängten sich Bögen, ein Meer aus blauer Seide und Argwohn. Ich zuckte zurück, aber Sabine drehte sich um und fing meinen Blick auf. Iris und Joshua traten an meine Seite, und es gab kein Entkommen. So stieg ich hoch erhobenen Hauptes die Verandastufen hinunter, zum Rand der Menge, gut sichtbar für Luc.
Die Magier blieben hinter einem Tisch mit Marmorplatte stehen. In der Mitte ruhten ein gläserner Federhalter, ein Tintenfass und eine Pergamentrolle.
Ich konnte nicht lesen, was darauf stand, aber das musste ich auch nicht. Dank Niobes Unterricht wusste ich schon, dass die Rolle verkündete, dass die Namen am Ende des Blattes Kandidaten für die Stellung der Matriarchin oder des Patriarchen waren. Wenn sie gewählt wurden, schworen sie, dem Haus vor allen anderen zu dienen und bis zu ihrem Tode Sachwalter der Magie zu sein.
Die Häuser waren erblich, wie Niobe mir erklärt hatte– Lucs war seit Anbeginn aller Zeiten das Haus DeFoudre gewesen, eine lange, ungebrochene Erbfolge. Aber wenn eine Prophezeiung oder ein Todesfall dazu führte, dass eine neue Familie erhoben wurde, änderte sich der Name des Hauses. Nach dieser Zeremonie würde es das Haus Marais nicht mehr geben. Die Person, die erhoben wurde, wandelte nicht nur ihr eigenes Leben, sondern zugleich das ihrer Nachkommen.
» Willkommen«, rief Sabine der Menge zu. Sie streckte die Arme mit erhobenen Handflächen aus und begann den Sprechgesang, der die Zeremonie eröffnete. Die Bögen antworteten, und ich fiel mit ein, obwohl die Worte mir trotz all meiner Übung seltsam und sperrig vorkamen.
Ich warf einen Blick auf Luc, der die Worte stumm mit dem Mund formte, und versuchte, ihn nachzuahmen. Aber die meisten Bögen konzentrierten sich auf mich, nicht auf die Zeremonie, und bei all der Aufmerksamkeit brach mir der kalte Schweiß aus, so dass mir fast übel wurde. Die einzige Möglichkeit, damit zurechtzukommen, bestand darin, die Augen zu schließen und alle auszublenden. Ich stellte mir die Worte der Anrufung auf die Tafeln in der Schule geschrieben vor, schwach vor Macht schimmernd wie Sterne im Zwielicht. Meine Zunge löste sich, als ich entspannter wurde, und
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