Der Weg in Die Schatten
die Mittellosen Abfall durchsucht, um dessen nützliche Bestandteile erneut zu verkaufen, aber heutzutage ist nichts wertvoller als Informationen. Eine weggeworfene Zeitschrift kann jemandem sagen, was Sie gerne lesen, und falls Artikel herausgeschnitten
wurden,
ist
es
leicht,
besondere
Interessengebiete von Ihnen festzustellen.
Theater‐Eintrittskarten vermitteln einen Eindruck davon, was Ihnen gefällt und wieviel Sie dafür zu zahlen bereit sind.
In Ihrem Fall brachte die Quittung für ›Rialta Odalisque‹
jemandem wahrscheinlich eine Menge Geld ein, soweit es den Informationsaustausch betrifft. Dieser Datenbrocken besagt, daß Sie einen ausgezeichneten Geschmack haben und auch das Geld, um ihn zu befriedigen. Für uns bedeutete die Information, daß wir Sie überprüfen mußten, und die Tatsache, daß sie offiziell berechtigt sind, Ms. Mirins Lotus Banshee zu fahren, bildete das letzte Glied in der Kette.«
Valerie lächelte. »Als wir diese Information erst mal hatten, wurde mir auch klar, auf welche Decker Sie zurückgreifen konnten, um eine solch gute Arbeit an den Dateien zu leisten.
Mycroft erschien ganz oben auf der Liste, und es gelang uns, den Dechiffrierschlüssel ausfindig zu machen, den er für das Quellenverzeichnis Ihrer Datei benutzte.«
Nadia schüttelte den Kopf. »Ich begreife das nicht.«
Val setzte sich kerzengerade auf. »Es gibt auf der ganzen Welt keinen Decker ‐ mal ausgenommen jemanden, der für Raven arbeitet, der keine Unterschrift unter seine Arbeit setzt.
Egos gehören zum Biz, und das von Mycroft ist bei all seinen Qualitäten sehr ausgeprägt. Er verschlüsselte Teile Ihrer Datei mit dem Begriff Meiringen. Das ist eine Stadt in der Nähe der Reichenbach‐Fälle in der Schweiz, der Ort, wo Sherlock Holmes lebte, ehe er in den von Arthur Conan Doyle verfaßten Geschichten unter der Hand Moriartys starb. Sobald wir das Quellenverzeichnis
entziffert
hatten,
standen
uns
die
Ursprungsdaten zur Verfügung, aus denen Mycroft Ihre Akte zusammenstellte.«
Raven nickte Valerie zu. »Welch ein Pech, daß der andere Decker, der Zugriff auf die Datei hatte, sozusagen verrückt nach Viktorianischer Geschichte ist, denn es könnte auch ihm gelungen sein, über den Schlüssel zu stolpern. Valerie hat versucht, wieder mit ihm Verbindung aufzunehmen, aber mit geringem Erfolg. Es bestehen allerdings gute Chancen, daß Ihre Deckung Löcher bekommen hat.«
Nadia, unter Beschuß so kühl wie eh und je, verschränkte die Hände im Schoß und schlug die Beine übereinander. »Ich bin mir nicht sicher, was das mit dem Anschlag auf mein Leben zu tun haben soll. Was ist nun, wenn ich tatsächlich Dawn McGrath bin?«
Valerie drückte eine Taste auf ihrer Konsole. Unter dem Bild einer hübschen blonden Frau, etwa acht Jahre jünger als Nadia
‐ und deshalb weit weniger aufregend ‐, erblickte ich die hübsche runde Zahl von 1.000.000 Nuyen für Informationen, die
zur
Ermittlung
ihres
Aufenthaltsortes
führten.
»Hondisumi hat eine Menge Geld in Ihre magische Ausbildung gesteckt und möchte Sie wiederhaben. Obwohl es sich dabei um die Linie handelt, die das Unternehmen offiziell verfolgt, wollen Gerüchte wissen, Hondisumi habe 2,2
Millionen Nuyen dafür ausgesetzt, daß jemand den Ruf der Firma von dieser Peinlichkeit befreit.«
»Nach dem Stand von letzter Woche sind es 2,36 Millionen«, berichtigte sie Stealth.
Raven breitete die Hände aus. »Das sollte Ihre Frage beantworten, aber ich muß gestehen, ich glaube an eine Verbindung zwischen dem Anschlag auf Ihr Leben und dem Tod von James Yoshimura. Ich bin auch der Meinung, daß ein Zusammenhang mit dem Yakuza‐Angriff auf Bobs Transporte und Frachten besteht. Können Sie vielleicht die Lücken zwischen der Yakuza, der Spedition, dem Anschlag auf Ihr Leben und dem Mord an James Yoshimura schließen?«
Nadia schloß die Augen und schüttelte den Kopf. »Ich kann gar nicht glauben, daß ich so blind war.« Sie öffnete die Augen wieder und sah zu Raven auf. »Yoshimura kam mit einem völlig verrückten Plan zu mir, unseren Frachtkontrakt auf die North American Trucking zu übertragen. Ich wußte aus verschiedenen Quellen, daß NAT viele Verbindungen mit der Yakuza hat, und meine Erfahrungen in Japan hatten mich gelehrt, mit denen nichts anzufangen. Er starb nur vier Tage später, aber da die Polizei sagte, es wäre eine zufällige Schießerei gewesen, habe ich nie an einen Yakuza-Hintergrund gedacht.
Zwei Tage danach
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