Der Weg in Die Schatten
Zaun und riß das ausgeschnittene Stück mit sich. Er prallte gegen den Lieferwagen und wäre in seiner Benommenheit gestürzt, wenn Namenlos ihn nicht am Kragen gepackt hätte. »Hast du immer noch Probleme mit Zäunen?« grollte er.
Sie kletterten in den Wagen, während hinter ihnen ein paar Gestalten aus dem Gebäude stürmten. Iris ließ den Motor an und brachte das Gummi der Reifen zum Qualmen. Einige wenige ungezielte Schüsse folgten ihnen, verfehlten ihr Ziel jedoch um einiges.
Fünf Minuten und einige Kilometer später wandte Smedley sich an Thorn und sagte: »He, Thorn, wann fängt denn jetzt der schwierige Teil an?«
Sie lachten so heftig, daß sie den Wagen fast gegen eine Straßenlaterne gesteuert hätten.
Ein ziemlich gewöhnlicher Honda Allegra hielt vor dem grell beleuchteten Eingang der Einkaufspromenade. Sogar in den wenigen Stunden des frühen Morgens malten vielfarbige Neolux-Reklamen glitzernde Versprechen von Sonderangeboten und günstigen Gelegenheiten auf die regennassen Straßen. Thorn und Smedley gingen in Deckung, als zwei Konzern‐Muskelmänner ausstiegen. Alle blieben ultracool, als Neddy zum gleichen Zeitpunkt aus der Promenade herauskam, wie die Frau im Anzug den Fond des Honda verließ. Keiner war so unhöflich, darauf hinzuweisen, daß in dem gewöhnlich aussehenden Familienauto ein Maschinengewehr montiert war, und es erhob auch niemand Einspruch, als Namenlos in der rückwärtigen Tür des ein Stück die Straße hinauf geparkten Lieferwagens erschien und mit dem Raketenwerfer in seinen Händen ostentativ nicht auf irgend etwas Bestimmtes zielte. Dies war ein geschäftliches Treffen ‐ professionell, höflich.
»Miss Johnson, welch eine Freude, Sie wiederzusehen«, murmelte der Magier, indem er an seinen mit Symbolen übersäten Filzhut tippte.
»Dr. Fortescue«, erwiderte sie.
»Ich glaube, dies war es, was Sie haben wollten.«
Mit einem theatralischen Schnörkel zauberte er den Datenchip hervor wie ein alter Bühnenzauberer, der ein Kaninchen aus dem Hut zieht. Die Frau nahm ihn und legte ihn in ein Lesegerät ein. Sie verband das Gerät mit der Buchse in ihrer Schläfe, und ihre Miene wurde ausdruckslos, als ihre Sinne mit Informationen gefüttert wurden. Sie versteifte sich.
Wie im Traum stieß sie in stetigem monotonem Tonfall einen Strom von Verwünschungen aus. Dann stöpselte sie sich aus.
Ihre Miene überraschte Thorn. Es kommt nicht oft vor, daß man Mr. Johnson in Verlegenheit sieht. Der Job schließt ein, daß man anderen Menschen zu oft Drek antut, um sich von irgend etwas Belanglosem aus der Fassung bringen zu lassen. Also ist es nicht belanglos, dachte er. Thorn verminderte die einstudierte Trägheit seiner Haltung gerade genug, um eine Zehntelsekunde schneller ziehen zu können, nur für alle Fälle.
»Ich bedaure, Doktor, daß es anscheinend Komplikationen gibt.«
Die Augen des Magiers verengten sich, obwohl sich sein Lächeln keine Spur veränderte. »O je, ich mag keine Komplikationen. Sie erweisen sich oft als ziemlich kostspielig.«
»Diese werden es ganz gewiß«, sagte sie grimmig. Alle spannten sich an, bis sie hinzufügte: »Oh, nicht für Sie, Dr.
Fortescue. Unsere ursprüngliche Abmachung bleibt weiterhin in Kraft. Ich werde nicht zulassen, daß meine Verbindung zu einem Team wie dem Ihren durch Konzernpolitik ruiniert wird.« Ihr wütender Blick wurde etwas milder, und ihre Miene nahm einen eher schelmischen Ausdruck an.
»Außerdem sind die Kosten dieser Operation ein kleiner Fisch verglichen mit dem Drek, um den es in den nächsten Tagen gehen wird.«
Sie überreichte ihm ein Bündel Kredstäbe. Und den Datenchip.
»Ich glaube, ich sollte Ihnen mitteilen, Doktor, daß ich Ihre Anstrengungen zwar zu würdigen weiß, sie aber wohl für die Katz waren. Die Daten sind für meine Auftraggeber nutzlos, für Sie ebenfalls, überhaupt für jeden. Die ganze Operation war ein Blindgänger.«
Thorn hörte Smedley in sein Fluchen einstimmen. Ein Blindgänger, die Schlange, die sich in den eigenen Schwanz beißt. Im Schattenjargon wurde damit ein Schwindel bezeichnet, bei dem jemand insgeheim falsche Informationen unterschob, um sie sich dann unter großen Kosten und Mühen durch sichtbarere Kanäle wieder zu beschaffen, um so zu ›beweisen‹, daß die Informationen stimmten. Thorn hatte diese Praxis immer gehaßt. Einen Run als Teil eines verschlungenen politischen Blumenkränzchens zu unternehmen, machte ihn
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