Der Weg in Die Schatten
Gefühl auf der Welt. Kylar war verloren in einem Wahnsinn, einer Art bizarrer Meditation. Es war viel zu schnell vorüber. Denn in einer Frist, die nicht länger gewesen sein konnte als eine halbe Minute, waren sämtliche Khalidori tot. Nicht einer, der noch im Sterben gelegen hätte. Wenn der mörderische Schatten eins war, dann gründlich.
Die Wirkung auf die Cenarier war ungeheuer. Diese Schafe in Rüstung standen mit offenem Mund da und starrten die ausgefranste Dunkelheit an, die Kylar war. Sie hatten nicht einmal die Waffen erhoben. Sie standen nicht in Habtachtstellung. Sie bestaunten nur diesen Boten des Todes unter ihnen.
»Der Nachtengel kämpft für Euch«, sagte er. Er hatte bereits zu lange innegehalten. Logan konnte in eben diesem Augenblick im Sterben liegen. Er lief tiefer in die Burg hinein.
Alle Türen waren geschlossen, und in den Fluren herrschte unheimliche Stille. Er konnte nur vermuten, dass die Diener sich in ihren Räumen zusammenkauerten oder bereits auf der Flucht waren.
Das Stampfen vieler Schritte im Gleichtakt ließ ihn innehalten. Kylar verschmolz mit einer im Dunkeln liegenden Tür in der Nähe einer Ecke. Er mochte sicher sein vor den Augen von Menschen, aber heute Nacht gab es in der Burg gefährlichere Dinge als Menschen.
»Unten müssen gut zweihundert von ihren Soldaten in der Falle sitzen«, sagte einer der Offiziere zu einem Mann, dessen schmaler Körperbau ihn als Hexer auswies, obwohl er Rüstung und ein Schwert trug. »Das dauert etwa fünfzehn Minuten, Meister.«
»Und die Adligen im Garten?«, wollte der Hexer wissen.
Seine Antwort verlor sich im Getrampel der Hochländer, die an Kylar vorbeimarschierten und sich dann entfernten.
Also saßen die Edelleute im Garten in der Falle. Kylar war noch nie zuvor im Garten gewesen - tatsächlich hatte er die Burg nach Kräften gemieden -, aber er hatte Gemälde vom Garten gesehen, und wenn die Maler sich nicht allzu große Freiheit genommen hatten, vermutete Kylar, dass er den Garten finden konnte. Er schätzte, dass er dort geradeso gut nach Logan und Durzo suchen konnte wie an jedem anderen Ort.
Während er tiefer in die Burg hinein- und auf den Garten zuging, lagen immer mehr Tote in den Fluren, und ihr Blut machte die Böden rutschig. Kylar verlangsamte seine Schritte nicht. Bei den Toten handelte es sich größtenteils um Wachen der Adligen.
Arme Bastarde. Kylar hatte nicht viel Mitgefühl mit Männern, die die Waffen zu ihrem Beruf machten und dann ihre Ausbildung vernachlässigten, aber diese Männer waren massakriert
worden. Weit über vierzig Wachsoldaten waren tot oder lagen im Sterben, traten um sich und hatten Schaum vor dem Mund. Kylar sah nur acht tote Hochländer. Er folgte dem Blut und den Leichen und gelangte schließlich zu Doppeltüren aus Walnussholz, die von außen verriegelt waren. Kylar hob den Riegel an und schob die Tür auf.
»Was zur Hölle?«, erklang eine schroffe Stimme mit einem khalidorischen Akzent.
Als er sich von dem Türspalt zurückzog und hinter eins von vielen Standbildern von Neuner in Heldenpose trat, sah Kylar, dass mehrere Hochländer einen Raum voller Edelleute bewachten. In der Gruppe waren Männer, Frauen und sogar einige Kinder. Sie hatten Angst, und ihre Kleider waren zerrissen. Einige weinten. Andere, die vergiftet worden waren, übergaben sich.
Von einer Stelle, die Kylar nicht einsehen konnte, erklangen Schritte, und die Hochländer, die er sehen konnte, machten ihre Waffen bereit. Die Spitze einer Hellebarde wurde durch die Türöffnung geschoben und zog die Tür dann ganz auf; ein vierschrötiger khalidorischer Offizier, der ebenso dick wie groß war, wurde sichtbar.
Der Offizier zog auch den anderen Türflügel mit der Hellebarde auf, dann machte er ein Zeichen, und zwei Männer sprangen Rücken an Rücken und mit erhobenen Schwertern in die Halle. Sie blickten direkt zu der Statue hinüber, direkt zu Kylar, der sich an den Rücken der Statue drückte, seine Arme hinter ihren Armen, seine Beine hinter ihren Beinen.
»Nichts, Herr«, sagte einer der Männer.
Im Garten, der nicht annähernd so prächtig war wie auf den Gemälden, waren zehn Wachsoldaten und vierzig oder fünfzig Adlige - keiner von ihnen bewaffnet. Glücklicherweise hatten die Hochländer keine Hexer bei sich. Kylar vermutete, dass
Hexer zu kostbar waren, um sie für die Bewachung von Gefangenen zu verschwenden.
Unter den Adligen waren einige der höchstgestellten Personen im Land. Kylar erkannte
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