Der Weg in Die Schatten
oder so, Neph würde profitieren.
Etwas ließ ihn innehalten, bevor er zur Tür hinausging. Irgendetwas draußen fühlte sich merkwürdig an. Er trat zum Fenster, riss die hölzernen Läden auf - kein Glas für die Dienstbotenräume - und blickte durch das Loch in den gespenstischen cenarischen Statuengarten.
Die Meister hatten ihr Lager dort errichtet, weil sie ihn als ein Zentrum der Macht erkannt hatten. Vürdmeister Goroel hatte es schon immer Spaß gemacht, sich über die Götter und toten Könige der besiegten Länder zu erheben. Es war reine Heuchelei, nicht die Räume in der Burg zu besetzen, aber wenn die Meister in den Krieg zogen, zeigte Goroel dem Gottkönig gern, dass sie auch mit rauen Bedingungen zurechtkamen. Unerträglich.
Ein Mann kletterte auf eine der Statuen. Neph konnte seine Gesichtszüge nicht deutlich erkennen, aber er war gewiss kein Khalidori. Ein Sethi? Wieso klettert ein Sethi mitten in einem Krieg mit einem Schwert auf eine Statue? Ein Riese von einem Schmied mit blondem Haar stand unter ihm und schaute sich ängstlich um. Neph schüttelte den Kopf. Vürdmeister Goroel würde eine solche Schmähung nicht hinnehmen.
»Hexer des Gottkönigs!«, rief der Mann mit donnernder Stimme, die mit Magie dutzendfach verstärkt war. Ein Magier? »Hexer des falschen Gottkönigs, hört mich an! Kommt zu mir! An diesem Tag, auf diesem Felsen werdet Ihr zerschmettert werden! Kommt und lasst Eure Arroganz ihren Lohn finden!«
Hätte er diese ketzerischen Worte nicht gesprochen, hätten die Hexer ihn vielleicht Vürdmeister Goroel überlassen, doch Ketzerei würde unterbunden werden. Musste unterbunden
werden. Sofort. Ganze dreißig Meister ließen ihre Vir lebendig werden.
Nephs magische Sinne explodierten. Er taumelte gegen die Wand und brach zusammen. Es fühlte sich an, als schrien tausend Dämonen einstimmig in jedem seiner Ohren. Magie wie ein Feuer - wie eine zweite Sonne - explodierte in der Burg. Neph spürte, wie seine Vir kribbelten, wie sie brannten, während Magie auf ihn zuströmte. Er hatte seine Vir nicht aktiviert, und das war gewiss das Einzige, was ihn rettete. Die Macht, die durch die Burg wogte, war mehr Magie, als er sich jemals hätte vorstellen können. Mehr Magie, als der Gottkönig selbst benutzen konnte.
Funken von Magie loderten auf, um ihr zu begegnen. Die Meister, das konnte Neph erkennen. Die Meister, die ihre Vir nicht bereits aktiviert hatten, griffen jetzt danach. Sie hätten geradeso gut Fliegen sein können, die versuchten, mit dem Wind ihrer Flügel ein Feuer zu löschen. Die Magie suchte nach ihnen, schlang sich um sie und verbrannte sie zu Aschesäulen. Er konnte spüren, wie die Fasern ihrer Macht gesprengt wurden und eine nach der anderen rissen.
Der Brand war im Innenhof, in diesem seltsamen cenarischen Statuengarten. Sollte Neph bleiben, wo er war, und weiterleben? Wagte er es, sich diesem Feuer zu stellen? Was würde dieser Titan von einem Magier tun, wenn Neph es wagte, ihm in die Quere zu kommen? Was würde der Gottkönig mit ihm machen, wenn er es nicht tat?
Ein seltsamer, losgelöster Gedanke kam Kylar, als er die letzte Tür öffnete und auf den Thronsaal zuging. Das ist der Grund, warum die Wachen vor dem Schlund nervös waren - sie waren Köder. Jetzt bin ich auch einer.
Sein nächster Gedanke galt Durzos Glaubensbekenntnis: Leben ist leer. Es war ein Glaubensbekenntnis, das Durzo selbst verraten hatte, ein leeres Glaubensbekenntnis. Es rettete weder Leben, noch machte es das Leben besser. Für einen Blutjungen machte es das Leben sicherer, weil es sein Gewissen auslöschte. Oder es versuchte. Durzo hatte sich bemüht, nach diesem Glaubensbekenntnis zu leben, und er hatte festgestellt, dass er zu nobel dafür war.
Kylar fragte sich, was ihn zu diesem Gedanken gebracht hatte. Er war bereit zu sterben. War es Stolz, dass er glaubte, allem trotzen zu können? War es Pflichtgefühl Durzo gegenüber, dass er dachte, er müsse die Schuld seines Lebens zurückzahlen, indem er Uly rettete? War es Rache, dass er Roth so sehr hasste, dass er sterben würde, um ihn zu töten? War es Liebe?
Liebe? Ich bin ein Narr. Er empfand etwas für Elene, das stimmte. Etwas Intensives und Berauschendes und Unvernünftiges. Vielleicht war es Liebe, aber was genau liebte er, Elene oder ein Bild von ihr, aus der Ferne gesehen und mit dem Leim der Vermutung zusammengeklebt?
Vielleicht war es einfach ein letzter Überrest von Romantik, der ihn hierhergeführt hatte,
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