Der Weg in Die Schatten
Elene?«, fragte Kylar mit seiner eigenen Stimme.
Sie zuckte zusammen. »Ich sollte Angst vor dir haben, nicht wahr?«
»Ich würde dir niemals wehtun«, sagte er.
Die Brauen über den Augen, die er ihr blau geschlagen hatte, hoben sich ungläubig.
»Nun, ich würde dir nicht wirklich wehtun.«
»Was machst du?«, fragte sie und sah sich um. Es war sonst niemand draußen auf den Straßen.
»Ich würde dich gern von hier fortbringen«, antwortete Kylar, dann strich er sich sein gebleichtes Haar zurück und lächelte durch seine Schminke. »Dich und Uly. Wir können überall hinfahren. Ich werde sie als Nächste auflesen.«
»Warum ich, Kylar?«
Er war verblüfft. »Du bist es immer gewesen. Ich l-«
»Sag nicht, dass du mich liebst«, unterbrach sie ihn. »Wie könntest du dies hier lieben?« Sie riss den Schal herunter und
zeigte auf ihre Narben. »Wie könntest du ein Ungeheuer lieben?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich liebe nicht deine Narben, Elene. Ich hasse sie -«
»Und du wirst niemals an ihnen vorbeischauen.«
»Ich bin noch nicht fertig«, sagte er. »Elene, ich habe über dich gewacht, seit wir Kinder waren. Lange Zeit, da hast du recht, konnte ich nicht an deinen Narben vorbeischauen. Ich werde dir nicht irgendwelchen Mist auftischen, dass sie schön seien. Deine Narben sind hässlich, aber du bist es nicht, Elene. Die Frau, die ich sehe, wenn ich dich anblicke, ist erstaunlich. Sie ist klug, sie hat eine flinke Zunge, und sie hat ein so großes Herz, dass es mich glauben macht, dass Menschen gut sein können, obwohl ich mein Leben lang Beweise für das Gegenteil gesehen habe.«
Sie nahm seine Worte in sich auf, das konnte er erkennen. Oh, Momma K, sag mir, dass ich von dir etwas über Worte gelernt habe. Sag mir, dass ich trotz allem etwas gelernt habe.
Elenes Hände bewegten sich wie kleine Vögel. »Wie kannst du das sagen? Du kennst mich doch gar nicht!«
»Bist du nicht immer noch Puppenmädchen?«
Sie ließ die Hände sinken, die kleinen Vögel kamen flatternd zur Ruhe. »Ja«, antwortete sie. »Aber ich glaube nicht, dass du immer noch Azoth bist.«
»Nein«, gab er zu. »Das bin ich nicht. Ich weiß nicht, wer ich bin. In diesem Moment weiß ich nur, dass ich nicht mein Meister bin und nicht leben werde, wie er es getan hat.«
Hoffnung schien in ihr aufzusteigen. »Kylar«, begann sie, und er sah, dass sie diesen Namen mit Bedacht gewählt hatte, »ich werde dir immer dankbar sein. Aber unser Zusammenleben wäre eine Katastrophe. Du würdest mich zerstören.«
»Wovon redest du?«
»Momma K sagte, dein Meister habe all meine Briefe abgefangen.«
»Ja, aber ich habe einen langen Nachmittag darauf verwandt, mich ins Bild zu setzen«, erwiderte Kylar.
Sie lächelte traurig. »Und du verstehst immer noch nicht?«
Kann man Mädchen jemals verstehen? Er schüttelte den Kopf.
»Als wir Kinder waren, warst du der Einzige, der mich beschützt hat, der auf mich achtgegeben hat. Du warst derjenige, der mich zu einer richtigen Familie gebracht hat. Ich wollte für alle Ewigkeit mit dir zusammen sein. Als ich dann älter wurde, warst du mein Gönner, der mich zu etwas Besonderem gemacht hat. Du warst mein heimlicher junger Lord, den ich so verzweifelt und so töricht liebte. Du warst mein Kylar, mein armer Edelmann, von dem die Töchter des Grafen Drake mir Geschichten erzählten. Dann warst du derjenige, der mich aus dem Gefängnis gerettet hat.«
Er schwieg und schwieg. »Du sagst das so, als sei es etwas Schlechtes.«
»Oh, Kylar. Was geschieht mit diesem törichten Mädchen, wenn sich herausstellt, dass ich nicht gut genug bin für den Mann, den ich mein Leben lang geliebt habe?«
»Du nicht gut genug?«
»Es ist ein Märchen, Kylar. Ich verdiene es nicht. Irgendetwas wird geschehen. Du wirst eine hübschere Frau finden, oder du wirst meiner müde werden, und dann wirst du mich verlassen, und ich werde mich niemals erholen, denn die einzige Art von Liebe, die ich zu bieten habe, ist dumm und blind und so tief und mächtig, dass ich das Gefühl habe, als würde ich bersten, nur weil ich sie in mir trage. Ich kann nicht einfach in Verzückung geraten und mit dir ins Bett fallen, weil du gleich wieder hinausspringen und dein Leben weiterleben wirst, und ich werde es niemals tun.«
»Ich bitte dich nicht, das Bett mit mir zu teilen.«
»Also bin ich zu hässlich, um -«
Er bekam aber auch kein einziges verdammtes Wort richtig heraus. »Genug!«, brüllte er, und seine Gefühle
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