Der Weg in Die Schatten
mürrisch.
»Warum erzählt überhaupt jemand Lügen? Weil sie nützlich sind. Jetzt trink deine Medizin, und dann mach den Mund zu«, befahl Momma K.
Azoth wusste, dass er es auf die Spitze trieb, daher stellte er keine weiteren Fragen. Er trank das dickflüssige, nach Pfefferminz und Anis schmeckende Gebräu.
»Im Augenblick haben die Sa’kagé ihre eigene Schlange von Haran, Azoth... Kylar. Kennst du Corbin Fishill?«
Azoth nickte. Corbin war der gutaussehende, beeindruckende junge Mann, der manchmal gekommen war und mit Ja’laliel geredet hatte.
»Corbin war einer der Neun. Er war verantwortlich für die Kindergilden.«
»War?« Azoth quiekte beinahe. Er hätte eigentlich nicht wissen dürfen, dass Corbin überhaupt wichtig war, geschweige denn, wie wichtig.
»Durzo hat ihn vor drei Tagen getötet. Als die Babyfarmen geschlossen wurden, bekamen die Sa’kagé die Chance, buchstäblich ihre eigene Armee aufzustellen. Aber Corbin ermutigte Gildenkriege, die die Sklavengeborenen auslöschten. Und er war ein Spion. Die Sa’kagé dachten, er sei ein ceuranischer Spion gewesen, aber jetzt denken sie, er habe Geld von Khalidor genommen. Die Khalidori haben ihn mit ceuranischem Gold bezahlt, wahrscheinlich für den Fall, dass er entdeckt wurde, und außerdem wollten sie nicht, dass er unverzüglich anfing, das Geld auszugeben und Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
Jetzt, da Corbin tot ist, sind seine Sachen durchsucht worden, und bedauerlicherweise hat es keine klare Antwort gegeben. Wenn er in khalidorischem Sold gestanden hat, war er viel gefährlicher, als wir gedacht haben, und die Sa’kagé hätten ihn gefangen nehmen und foltern lassen sollen, bis sie Gewissheit gehabt hätten, aber zu dem Zeitpunkt dachten sie, es sei wichtig, ein plastisches Exempel zu statuieren und klarzumachen, was jenen widerfährt, die die Unternehmen der Sa’kagé schlecht verwalten. Jetzt ist das Problem ein größeres.
Wir denken nicht, dass Corbin seine Stelle lange genug innehatte, um unter den Gilden erfolgreich für Khalidor zu werben - Straßenratten scheren sich nicht viel darum, woher ihre Mahlzeiten kommen -, aber die Tatsache, dass Khalidor auf eine Übernahme der Gilden hingearbeitet haben könnte, verrät uns, dass sie langfristig denken.«
»Woher wisst Ihr, dass er nicht einfach die Person bei den Sa’kagé war, die sie am leichtesten für ihre Sache gewinnen konnten?«
Momma K lächelte. »Wir wissen es gar nicht. Khalidor schlägt derzeit einige Rebellionen nieder, und es läuft nicht gut für sie. Aber der Gottkönig steht im Ruf, ein Mann zu sein, der für den Sieg plant, und ich vermute, dass er denkt, es könnten noch Jahre vergehen, bevor er bereit ist, nach Süden zu marschieren, aber er will, dass Cenaria schon unter dem geringsten Schlag fällt, wenn er so weit ist. Wenn er die Sa’kagé kontrolliert, wird die Übernahme der Stadt ein Kinderspiel sein. Unser Problem ist nun folgendes: Wenn er in der Lage war, an einen so hoch platzierten Mann wie Corbin heranzukommen, dann könnte es Dutzende anderer geben. Die anderen Köpfe der Schlange könnten sich nun jederzeit zeigen. Jeder, dem wir vertrauen, könnte für Khalidor arbeiten.«
»Warum ist das Euer Problem?«, erkundigte sich Azoth.
»Es ist mein Problem, weil auch ich eine der Neun bin, Kylar. Ich bin die Herrin der Wonnen.«
Azoths Mund formte ein kleines O. Früher waren die Sa’kagé immer etwas Gefährliches, Riesiges und Fernes gewesen. Er nahm an, dass es passte - jeder wusste, dass Momma K eine Hure gewesen war und dass sie über Wohlstand verfügte -, aber dieser Gedanke war ihm nie gekommen. Wenn Momma K die Herrin der Wonnen war, bedeutete das, dass sie die gesamte Prostitution in Cenaria unter sich hatte. Jeder, der im Lustgewerbe tätig war, war letztendlich ihr unterstellt.
Sie lächelte. »Abgesehen von den... anstrengenderen Pflichten meiner Mädchen, halten sie auch die Ohren offen. Du würdest staunen, wie redselig ein Mann vor einer Person sein kann, von der er denkt, sie sei lediglich eine dumme Hure. Ich habe das Kommando über die Spione der Sa’kagé. Ich muss wissen, was Khalidor tut. Wenn ich es nicht weiß, wissen es die Sa’kagé nicht, und wenn wir es nicht wissen, könnte das Land fallen.
Glaub mir, wir wollen Garoth Ursuul nicht als unseren König haben.«
»Warum erzählt Ihr mir das alles?«, fragte Azoth. »Ich bin niemand.«
»Azoth war niemand. Du stehst im Begriff, Kylar Stern zu werden«,
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