Der Weg in die Verbannung
sollte er dorthin gelangen; die kleine Strecke schien ihm jetzt unendlich weit. Er tauchte aber die Hand in das Wasser und wischte sich die verklebten Augen. Als er das grüne Gras und die Sonnenstrahlen wieder sah, die sich in dem klaren Bach spiegelten, bekam er neuen Mut. Auf allen vieren kroch er langsam über den Bach und die Wiese am Südhang aufwärts bis zu der Grube. Das war ihm schwerer gefallen, als es ihm sonst fiel, stundenlang bergaufwärts zu laufen. Er mußte sich erst ausruhen, bis er fähig war, in die Grube hineinzuklettern und nach den Bastbinden zu greifen. Er suchte an seinem Kopf die stark blutenden Stellen und band sie mit den Streifen zu. Dann schlug er die Büffelhautdecke als Schutz gegen den Raubvogel um sich und ruhte wieder in halber Ohnmacht. Wie im Traum kam ihm schließlich der Gedanke, daß ein Speer die beste Verteidigungswaffe sein würde. Der Speer war viel länger als die Stange des Hirschgeweihs; alle wilden Tiere fürchteten Speere. Vielleicht griff der Adler aber auch nicht mehr an.
Harka lag lange in seine Decke eingewickelt in der Grube; wie lange, wußte er selbst nicht, aber endlich bekam er wieder starken Durst. Er schlug die Decke ein wenig auf und versuchte, sich zu orientieren. Die Sonne schien über den glitzernden Wasserfall ins Tal hinein, von Osten her, also war es Morgen, und er hatte die ganze Nacht in der Grube gelegen. Er mußte geschlafen haben, oder vielleicht war er ohnmächtig gewesen.
Über dem Tal kreiste wieder der Adler. Harka hatte jetzt Angst vor ihm, aber er beneidete auch die Pferde, die beim Bach standen und soffen, daß ihnen das Maul triefte.
Der Junge holte sich seinen Speer heran, und auf diesen gestützt ging er torkelnd die Wiese hinab zum Wasser. Er wagte es nicht, sich zum Trinken hinzulegen, weil er fürchtete, der Adler könne wieder herabstoßen und ihn noch einmal im Rücken packen. Er kniete daher nieder, und während er sich mit der einen Hand am aufgestellten Speer hielt, schöpfte er mit der anderen Wasser und löschte seinen Durst. Da er wieder großen Durst hatte, dauerte das lange. Unentwegt behielt der Knabe den Raubvogel im Auge. Der Adler zog sehr hoch hinauf in die Lüfte, aber plötzlich erklang wieder dieses pfeifende Rauschen. Harka taumelte in die Bachrinne, kniete auf dem Grund, duckte sich so tief wie möglich und packte den Speer mit beiden Händen. Er wollte ihn nicht werfen, er wollte stoßen. Diese Vorbereitung seiner Gegenwehr dauerte nicht länger als zwei Sekunden. Der Raubvogel kam herab. Harka sah die mächtigen Schwingen, die Krallen, den gefährlichen krummen Schnabel. Der Vogel bremste und flatterte. Er hatte Angst vor dem Speer. Harka bewegte die Waffe in kurzen leeren Stößen. Der Grauschimmel und der Fuchs galoppierten umher und schlugen aus, dahin und dorthin. Einen wilden Tanz führten die Pferde aus, als ob sie den Verstand verloren hätten. Sie wußten aber instinktiv, daß es richtig war, sich so zu verhalten.
Endlich gab der Adler seinen Angriff auf. Mit großen, lauten Flügelschlägen stieg er wieder in die Höhe, um hoch oben den Blicken Harkas zu entschwinden. Wie leicht wäre es gewesen, ihn bei seinem Angriff mit einem Pfeil zu erlegen. Aber Harka hatte sich in seinem geschwächten Zustande, mit dem Schwindelgefühl im Kopf und dem unsicher gewordenen Blick nicht auf Pfeil und Bogen verlassen wollen. Er trank nochmals und kroch mit viel Mühe wieder hinauf in die Grube, wo er sich in die Decke wickeln konnte. Eine Büffelhaut konnte auch ein Adler kaum durchkrallen oder durchhacken. Der Knabe griff sich einen der Hirschfleischstreifen, die zum Trocknen bestimmt waren, und kaute daran. Dann verließ ihn wieder die Besinnung.
In diesem Zustand fand ihn der Vater, als er bei beginnender Nacht mit seiner Jagdbeute heimkehrte. Er warf ins Gras, was er mitgebracht hatte ein Reh und zwei Waschbären , und kümmerte sich voller Sorge um das schwerverletzte Kind.
Es dauerte fünf Tage, bis Harka imstande war zu erzählen, was sich ereignet hatte. Der Vater war in diesen Tagen und Nächten und auch in den folgenden ständig bei ihm. Zu essen gab es aus der Beute mehr als genug, und auch an Arbeit fehlte es nicht, da Häute und Knochen der erlegten Tiere bearbeitet werden konnten und auch das Gehörn des Rehs, aus dem Mattotaupa weitere Pfeilspitzen und einen Dolch herstellte. Einen Teil der abgeschabten und getrockneten Häute schnitt Mattotaupa in Streifen und flocht ein Lasso daraus. Das
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