Der Weg in die Verbannung
weg. Aber was für eine Gefahr konnte er entdeckt haben? Was konnte einem Adler gefährlich werden? Entweder andere Adler oder Menschen.
Harka beschloß, nicht nach Steinspitzen zu suchen, sondern sofort zum Vater zurückzukehren. Er packte den Speerschaft und das Holz für den Bogen auf, und beladen mit diesen, seiner Büchse und dem Proviant, den er überhaupt noch nicht angebrochen hatte, stieg er, so schnell er konnte, bergaufwärts, dem kleinen Tale zu.
Es war früher Nachmittag, als er den Aussichtspunkt bei dem Felspfad erreichte, und er traf dort den Vater, der umherspähte. Harka stellte sich neben Mattotaupa und blickte ebenfalls von diesem günstigen Punkte aus aufmerksam über Täler, Vorberge und Prärien.
»Was sagst du zu deinem Adler?« fragte der Vater.
»Er muß etwas entdeckt haben, wovor er sich fürchtet.«
»Ganz recht. Südöstlich von hier hat sich eine große Reiterschar bewegt. Nun sind die Reiter in den Wald eingedrungen, und wir können sie nicht mehr sehen.«
»Was tun wir?«
»Wir werden essen und dann beraten, wie es sich geziemt.«
»Hau.« Es tat Harka sehr wohl, daß er vom Vater wie ein Kampfgefährte behandelt wurde.
Die beiden Indianer liefen über den wohlvertrauten Felspfad in das kleine Tal. Die Pferde weideten ruhig. Harka holte sich Bogen und Speer von dem Felsblock herunter.
Mattotaupa lächelte dem Knaben freundlich zu. »Vielleicht kehrt dein gefiederter Bruder gar nicht mehr hierher zurück.«
Die beiden Indianer nahmen eine kräftige Mahlzeit zu sich; in rohem Zustande wie seit Wochen. Harka hatte sich daran gewöhnt. Als sie satt waren und aus dem Bach getrunken hatten, setzten sie sich zusammen auf die Wiese.
»Du hast gehört, was ich gesagt habe«, begann Mattotaupa. »Ich konnte die einzelnen Reiter nicht erkennen, aber ich denke, es sind rote Männer, denn sie ritten in einer langen Reihe hintereinander. Es können Dakota sein, Pani oder Cheyenne.«
»Sie werden uns nicht finden.«
»Nein, uns finden sie nicht. Aber vielleicht wollen wir sie finden? Wie denkst du darüber, Harka Steinhart Wolfstöter?«
»Du hast nur Reiter gesehen? Keine Pferde, die Rutschen zogen?«
»Keine Pferde, die Rutschen zogen.«
»Also nur Krieger?«
»So scheint es.«
»Wie viele?«
»Ich denke, hundert.«
»Was haben sie im Wald zu suchen!« dachte Harka laut. »Büffelherden, zu deren Jagd sich hundert Krieger versammeln könnten, gibt es nur auf der Prärie, nicht im Wald. Große Feste oder Beratungen, zu denen sich hundert Krieger versammeln, werden erst nach den Herbstjagden abgehalten, nicht vorher. Wenn sich jetzt hundert Krieger ohne Frauen und Kinder aufmachen, so suchen sie entweder Kampf oder Raub. Woher sind die Reiter gekommen und wohin sind sie gezogen?«
»Sie kamen von Süden und strebten nach Nordosten.«
»In dieser Richtung stehen die Zelte der Bärenbande. Vielleicht kommen die Kojoten vom Stamme der Pani, um die Zelte der Dakota zu überfallen. Wir müssen das auskundschaften, Vater!«
»Warum?« fragte Mattotaupa kurz.
Harka wurde blaß und senkte die Augen.
»Ich weiß, was du denkst«, nahm der Vater nach einer Pause das Gespräch wieder auf. »Du schämst dich aber, deine Gedanken auszusprechen, obgleich sie richtig sind. Sage, was du meinst, wie ein Mann!«
Harka schämte sich nun wirklich und fühlte sich doch gleichzeitig erleichtert. »Ich denke so, Vater: Die Pani werden erfahren haben, daß du verbannt worden bist, und sie werden erfahren haben, daß Sonnenregen auf der Büffeljagd umkam und dein Bruder Gefiederter Pfeil auf der Bärenjagd. Die Bärenbande hat keine tüchtigen Anführer im Kampf mehr. Die Pani werden glauben, daß sie unsere Zelte ungestraft überfallen können. So werden sie denken. In der Gefahr aber werden unsere Krieger aufwachen! Es wird ihnen wie Schuppen von den Augen fallen, und sie werden einsehen, was für falsche Beschlüsse sie gefaßt haben. Sie werden ihren Kriegshäuptling Mattotaupa wieder herbeiwünschen!«
»Meinst du?« Mattotaupa schaute vor sich hin. Über seine Züge gingen Schatten. »Nun, wir werden sehen, ob unsere Krieger sich zu helfen wissen, oder wer ihnen helfen wird. Die Ratsversammlung hat mir verboten, die Jagdgefilde der Dakota noch einmal zu betreten. Aber was kümmert mich das jetzt, wenn diese bissigen und räudigen Kojoten der Pani kommen, um unsere Frauen und Kinder wegzuschleppen!«
Harka war es, als ob ihm Kraftströme durch die Glieder liefen. Was für eine großartige
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