Der Weg ins Dunkel
Weiterflug gehindert. Dann hatte sie drei Stunden lang im überhitzten Büro eines UN -Hauptmanns gesessen und wieder und wieder dieselben Fragen beantwortet.
Erst als er ihren Flugplan über den Tisch schob, begriff sie, warum sie aufgehalten wurde. Sie hatte ihn vor drei Tagen an Pieter gefaxt und handschriftlich « PERSÖNLICH !» darübergeschrieben, aber ein übereifriger junger Mitarbeiter hatte ihn wohl an die Flughafenleitung von Goma weitergeleitet, die dann wiederum die UN -Truppe informiert hatte. Am meisten interessierte den Hauptmann, warum sie in den Norden wollte, in eine Region, die zur militärischen Flugverbotszone erklärt worden war. Der Schmuggel im Grenzgebiet hatte solche Ausmaße angenommen, dass jede Flugbewegung verdächtig war.
Schließlich hatte man Bear laufen lassen, aber es wurde eine formelle Anhörung anberaumt, der Treibstoff aus der Cessna gepumpt und das Flugzeug in eine abgeriegelte Wartezone gezogen. Sie war also schachmatt gesetzt, weil Pieter seine Mitarbeiter nicht im Griff hatte.
Sie wandte den Blick vom See ab, krempelte das Oberteil ihres Overalls herunter und verknotete die Ärmel vor dem Bauch. Sogar ihr weißes T-Shirt war bei der Motorreparatur schmutzig geworden, und sie stank von Kopf bis Fuß nach Flugbenzin. Obwohl das Hotel das Stammlokal von Kriegsreportern und UN -Mitarbeitern war und als unkonventionell galt, war Bear sich nicht sicher, ob man sie in diesem Aufzug hineinlassen würde.
Sie ignorierte die Seitenblicke junger Kongolesinnen, die an der Bar herumlungerten, und zog einen Stuhl ans Seeufer. Durstig stürzte sie ein paar Schluck eisgekühlten Primus-Biers herunter, um ihren Ärger herunterzuspülen, und blickte auf die ruhige Wasserfläche.
Warum musste sich Pieter mit so inkompetenten Mitarbeitern umgeben? Nicht mal das wenige, worum sie gebeten hatte, hatten sie auf die Reihe gekriegt.
Wenigstens hatte er ein Treffen mit einem Mann namens Fabrice arrangiert, von dem es hieß, er könne so ziemlich alles besorgen, was diesseits der Grenze irgendwie von Wert war. Bear konnte nur hoffen, dass hundert Liter Sprit nicht jenseits seiner Möglichkeiten lagen. Mit solchen Typen hatte sie Erfahrung. Die meisten waren verlogene Egomanen, die aber eine Menge in Bewegung setzen konnten. Von diesem hier wollte sie allerdings bloß ein bisschen Sprit. Und eine Auskunft darüber, wo genau sie eigentlich hinfliegen sollte.
Das Essen, das sie bestellt hatte, wurde serviert. Während sie einen Bissen gegrillten Tilapia auf die Gabel nahm, ließ sie den Blick über die anderen Restaurantgäste schweifen, bis sie einen Mann sah, der sie unverwandt anstarrte. Er trug eine khakifarbene Jägerweste und ein sandfarbenes Hemd, das über seinem Bierbauch spannte. Auf seiner roten Adlernase saß eine Drahtbrille, und seine ursprünglich weiße Haut war von längeren Aufenthalten in den Tropen mit Sommersprossen übersät.
Als ihre Blicke sich trafen, stand der Mann auf und kam zu ihr herüber.
«Hi, gestatten Sie, dass ich mich vorstelle?», sagte er, ein halbvolles Bierglas in der Hand. «Ich bin Jeffrey Watkins, Reuters-Korrespondent. Sie sind neu hier.»
Bear lächelte sparsam. «Ja, gerade angekommen.»
«Phantastisch. Absolut phantastisch. Ich freue mich über jedes neue Gesicht.» Er lachte und umklammerte den Stuhl auf der anderen Seite des Tisches mit der freien Hand. «Goma ist ein faszinierender Ort. Absolut faszinierend. Ich bin jetzt seit fast einem Jahr in Afrika und sehe inzwischen hinter die Kulissen. Alles ziemlich verrückt hier, aber man gewöhnt sich daran. Wenn Sie wollen, führe ich Sie ein bisschen herum und zeige Ihnen alles.»
Bear legte die Gabel auf den Teller und pulte sich so unmanierlich wie möglich ein paar Fischfasern aus den Zähnen. «Ich stamme aus Bunia, ein Stück nördlich von hier», sagte sie. Dann schüttelte sie den Kopf und fasste sich an den Bauch. «Verdammt, von Fisch bekomme ich Blähungen.»
Jeffreys Lächeln verblasste ein wenig. «Sie stammen von hier? Das ist ja phantastisch! Ich interviewe Frauen der verschiedenen Stämme für so ein Ethno-Stück, an dem ich schreibe, eine große Story.» Er zeigte mit dem Finger auf Bear. «Verraten Sie mir nicht, welchem Stamm Sie angehören! Ich hab’s gleich … Lendo, stimmt’s?»
Bear schnaubte verächtlich. «Hema.»
«Ja, natürlich. Darf ich Sie interviewen? Für meinen Artikel? Auf die Weise bekämen Sie eine Stimme.»
«Verstehe», sagte Bear, griff nach ihrer
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