Der Weg ins Glueck
darüber so kühl und sachlich wie über Fußball am College. Carl schreibt, es hätte wochenlang nur geregnet und die Nächte in den Schützengräben hätten ihn immer an die Nacht damals erinnert, als er auf dem Friedhof Buße tat dafür, dass er vor Henry Warrens Geist davongelaufen war. Carls Briefe klingen immer so fröhlich und lustig. Am Abend, bevor er schrieb, haben sie eine Rattenjagd veranstaltet - sie spießten die Ratten mit ihren Bajonetts auf-, und er schnitt dabei am besten ab und gewann den Preis. Er hat eine zahme Ratte, die ihn kennt und nachts in seiner Jackentasche schläft. Ratten machen Carl nichts aus im Gegensatz zu anderen Leuten - er hat sich immer mit allen kleinen Tieren angefreundet. Er schreibt, er will die Gewohnheiten der »Schützengrabenratte« untersuchen und eines Tages eine wissenschaftliche Abhandlung darüber schreiben, mit der er berühmt wird.
Ken hat einen kurzen Brief geschrieben. Seine Briefe sind jetzt immer so kurz, und es kommt nicht oft vor, dass er mittendrin so nette Sachen schreibt, die ich so gern habe. Manchmal denke ich, er hat den Abend, als er hier war, um sich zu verabschieden, ganz vergessen. Und dann wieder steht in seinem Brief nur eine Zeile oder ein Wort, die mir sagen, dass er sich doch daran erinnert und sich immer daran erinnern wird. Der Brief heute zum Beispiel enthielt nichts, was nicht in jedem x-beliebigen Brief an irgendein Mädchen hätte stehen können, außer, dass er darunter schrieb »Dein Kenneth« statt »viele Grüße, Kenneth«, so wie sonst. War das jetzt Absicht oder nur Nachlässigkeit? Ich werde die halbe Nacht wach liegen und mich mit dieser Frage beschäftigen. Er ist jetzt Hauptmann. Ich freue mich und bin stolz auf ihn und doch klingt »Hauptmann Ford« so schrecklich weit weg und nach einem »hohen Tier«. »Ken« und »Hauptmann Ford« kommen mir vor wie zwei verschiedene Personen. Möglich, dass ich mit Ken verlobt bin - Mutters Meinung darin ist meine einzige Stütze -, aber mit »Hauptmann Ford« kann ich nicht verlobt sein!
Und Jem ist jetzt Oberleutnant, er hat seine Beförderung auf dem Feld erhalten. Er hat mir ein Foto geschickt, auf dem er in seiner neuen Uniform zu sehen ist. Er sieht dünn und alt darauf aus - ja, alt -, mein kleiner Bruder Jem. Ich kann Mutters Gesicht nicht vergessen, als ich ihr das Foto zeigte. »Das ist mein kleiner Jem, das Baby von damals im alten Traumhaus?«, sagte sie nur.
Auch von Faith kam ein Brief. Sie ist beim Freiwilligen Hilfskommando in England und schreibt ganz hoffnungsvoll und zuversichtlich. Ich glaube, sie ist beinah glücklich. Sie hatjem während seines letzten Urlaubs gesehen und ist ganz in seiner Nähe, sodass sie sogar zu ihm könnte, wenn er verwundet würde. Das ist ihr sehr wichtig. Ach, könnte ich bloß bei ihr sein! Aber meine Arbeit wartet hier zu Hause auf mich. Ich weiß, Walter hätte nicht gewollt, dass ich Mutter verlasse; und ich versuche ihm in allem die »Treue zu halten«, auch in den Kleinigkeiten des täglichen Lebens. Walter ist für Kanada gestorben - ich muss für Kanada leben. Das ist es, worum er mich gebeten hat.
28.Januar 1918
»Ich werde meine sturmzerzauste Seele bei der britischen Flotte vor Anker legen und lieber ein Blech Kleiekekse backen«, sagte Susan heute zu Cousine Sophia, die uns mit irgendeiner wüsten Geschichte von einem neuen, unschlagbaren U-Boot langweilte, das von Deutschland soeben vom Stapel gelassen worden wäre. Aber Susan ist zurzeit ziemlich übellaunig wegen der Anweisungen zum Thema Kochen. Ihre Loyalität zur Unionsregierung wird empfindlich auf die Probe gestellt. Das geht ihr doch langsam zu weit. Als anfangs das Mehl rationiert wurde, sagte Susan noch ganz zuversichtlich: »lch bin zu alt für neue Tricks, aber wenn es hilft, die Hunnen zu besiegen, dann werde ich schon noch lernen Kriegsbrot zu backen.«
Aber die folgenden Reglementierungen gingen Susan dann doch gegen den Strich. Hätte Vater nicht ein Machtwort gesprochen, dann hätte sie wohl Sir Robert Borden die kalte Schulter gezeigt.
»Wenn wir schon mal dabei sind, Ziegel ohne Stroh zu machen, liebe Frau Doktor: Wie soll ich einen Kuchen backen ohne Butter und Zucker? Das geht doch nicht, so was ist doch kein Kuchen. Flach wie ein Brett würde der werden. Und den könnten wir noch nicht mal mit ein bisschen Glasur tarnen! Wer hätte je gedacht, dass eines Tages die Regierung von Ottawa in meine Küche spaziert und Rationen über mich
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