Der Weg ins Glueck
sie nach Hause kam. Sie schämte sich und gab zu, sie hätte sich wohl für eine unverheiratete Frau ziemlich undamenhaft benommen.
Heute Abend haben wir alle - außer Susan - eine Probefahrt in Vaters neuem Auto unternommen. Es war sehr schön, außer, dass wir zum Schluss schändlicherweise im Straßengraben gelandet sind. Das hatten wir einer gewissen alten Dame zu verdanken, nämlich Miss Elizabeth Carr aus Upper Gien, die sich standhaft weigerte, ihr Pferd zur Seite zu lenken, um uns vorbeizulassen, da konnten wir noch so laut hupen. Vater war wütend; aber ich hätte mich vielleicht genauso verhalten wie Miss Elizabeth. Wenn ich so als alte Jungfer mit meinem alten Gaul allein unterwegs wäre und dabei meiner Phantasie freien Lauf ließe, hätte ich auch nicht reagiert, wenn so ein Ungetüm von Auto wie wild hinter mir herhupt. Ich hätte mich hartnäckig aufrecht gesetzt, so wie sie, und mir gesagt: Nimm doch den Straßengraben, wenn du’s so eilig hast.
Wir nahmen also den Straßengraben - und versanken bis zur Radachse im Sand. Da saßen wir mit dummen Gesichtern, während Miss Elizabeth ihrem Pferd zuschnalzte und mit Siegesmiene davontrabte.
Da wird Jem was zu lachen haben, wenn ich ihm das schreibe. Er kennt Miss Elizabeth von früher.
Aber - was ist mit Venedig, kann es gerettet werden?
19. November 1917
Noch ist es nicht gerettet - es ist immer noch in großer Gefahr. Aber die Italiener leisten endlich Widerstand an der Front am Piave. Die Kriegskritiker sagen allerdings, dass sie die Linie wahrscheinlich nicht halten können und sich an die Etsch zurückziehen müssen. Aber Susan und Gertrude und ich sagen, sie müssen den Widerstand halten, weil Venedig gerettet werden muss. Also, was sollen die Kritiker da machen?
Ach, wenn ich wenigstens daran glauben könnte, dass sie erfolgreich sein werden!
Unsere kanadischen Truppen haben einen weiteren großen Sieg errungen: Sie haben den Passchendaele-Kamm gestürmt und ihn trotz der Gegenangriffe gehalten. Von unseren Jungen war keiner in der Schlacht, aber so viele andere standen auf der Verlustliste! Joe Milgrave war dabei, aber ihm ist nichts passiert. Miranda war ein paar Tage so in Sorge, ehe sie Nachricht von ihm bekam. Miranda ist seit ihrer Hochzeit richtig aufgeblüht! Sie hat sich so verändert. Sogar ihre Augen sehen dunkler und tiefer aus, aber das kommt wohl eher von der größeren Anspannung, die sie jetzt durchstehen muss. Ihr Vater kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus; sie hisst die Flagge, sobald ein Meter Schützengraben an der Westfront eingenommen ist; und sie kommt regelmäßig zu unseren Rotkreuzversammlungen; und sie versucht neuerdings sich wie eine verheiratete Frau zu benehmen - das ist zum Totlachen! Aber sie ist die einzige Kriegsbraut in Gien und deshalb sollte man ihr die Genugtuung auch gönnen. Die Nachrichten aus Russland sind auch schlecht - Kerenskis Regierung ist gefallen und jetzt ist Lenin an der Macht. Es ist wirklich schwer, den Mut in diesen hoffnungslosen grauen Herbsttagen voller Ungewissheit und schlimmer Ahnungen nicht zu verlieren. Aber wir »nähern uns langsam dem Tiefststand«, wie Sandy, der Schotte, sagt, hinsichtlich der bevorstehenden Wahlen. Es geht in der Hauptsache um die Wehrpflicht, und es wird sicher die aufregendste Wahl werden, die wir je hatten. Alle Frauen, die »so weit sind« - um Jo Poirier zu zitieren -, und die, die Ehemänner, Söhne und Brüder an der Front haben, können ihre Stimme abgeben. Ach, wäre ich doch bloß schon einundzwanzig! Gertrude und Susan ärgern sich auch, dass sie nicht wählen dürfen.
»Das ist nicht fair«, hat Gertrude wütend gesagt. »Agnes Carr zum Beispiel darf wählen, weil ihr Mann an die Front gegangen ist. Dabei hat sie alles versucht ihn daran zu hindern, und jetzt geht sie hin und stimmt gegen die Unionsregierung. Aber ich habe keine Stimme, weil ich an der Front nur einen Verlobten habe und keinen Ehemann!«
Wenn Susan darüber nachdenkt, dass sie nicht wählen darf, während ein durchtriebener Pazifist es darf - und es auch tun wird -, dann könnte sie buchstäblich aus der Haut fahren. Die Elliotts und Crawfords und MacAllisters aus Overharbour tun mir wirklich Leid. Sie haben sich immer in die klar abgegrenzten Lager der Liberalen und der Konservativen zusammengeschlossen, und jetzt hat man sie ihrer Vertäuung entrissen - ich weiß, meine bildlichen Ausdrücke lassen zu wünschen übrig - und lässt sie hilflos treiben. Für einige
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