Der Weg nach Kaarborg: Ragnor Band 2 (German Edition)
es endlich vorbei zu sein, denn der Kampflärm ebbte langsam ab, und tatsächlich meldete kurz darauf ein Läufer den drei Freunden, dass der Widerstand gebrochen sei und sich die Burg nun vollständig in der Hand der Kaarborger befand. Man hatte sogar bereits damit begonnen, die unterirdischen Kavernen zu durchsuchen, in denen sich, unter anderem, auch die Verliese befanden. Hauptmann Kufur ließ sie durch seinen Boten bitten, nun ebenfalls in den Pallas zu kommen, um bei der Befreiung, und insbesondere bei der Identifizierung der Gefangenen mitzuwirken. Sie betraten das Gebäude, welches nun von vielen Fackeln, die in bronzenen Wandhaltern steckten, hell erleuchtet wurde. Es lagen einige Tote im Gang, aber Ragnor erkannte erleichtert, dass keine Frauen und Kinder und auch keiner der Kaarborger Milizionäre darunter war.
Hauptmann Kufur begrüßte sie sichtlich zufrieden am Abgang zu den Kavernen mit den Worten: "Die Eroberung der Burg war ein Kinderspiel, Dank Eurer Kletterkünste. Aber zur Bestandsaufnahme und zum Feiern haben wir später Zeit. Wir durchsuchen gerade den Pallas und die beiden Kavernensysteme unter der Burg. Bitte teilt euch so auf, sodass wir Eure Gefangenen schnell finden können."Das Gangsystem, in das Ragnor in Begleitung zweier Milizionäre hinabstieg, war nur teilweise gemauert, da es zu einem guten Teil direkt in den massiven Fels geschlagen worden war. Sie stiegen die Treppen ins Erdgeschoss hinab und passierten dabei einige geöffnete Vorratsräume, die bereits reichlich mit Vorräten aller Art bestückt waren.
Dabei kamen sie auch an der Folterkammer vorbei, die über und über mit üblen Instrumente bestückt war, auf denen deutliche Blutspuren von einem häufigen Gebrauch der Folterwerkzeuge kündeten.
Ragnor beschleunigte daraufhin seine Schritte, als der das sah, und eine schreckliche Angst um Lars und Tana erfüllte sein Herz. Erst jetzt wurde ihm klar, zu welchen Grausamkeiten dieser Kastellan offenbar fähig war.
Sie stiegen eine weitere Ebene, auf den in den Fels gehauenen Stufen, hinab und wurden dort bereits von einem Soldaten mit einer Fackel erwartet, der meldete: "Wir haben nur zwei Gefangene in diesem Trakt gefunden. Ein Mädchen und eine jüngere, leider bereits tote, Frau. Bitte folgt mir. Ich werde Euch zu ihnen führen."Ragnor war enttäuscht, dass sich Lars und Tana nicht hier in diesem Kavernentrakt befanden. Einen Moment war er versucht umzukehren. Doch dann besann er sich anders. Maramba und Menno suchten ja bereits die anderen Bereiche ab, und deshalb folgte er den Soldaten zu der Zelle am Ende des Ganges, wo sich das gefangene Kind und die Tote befinden sollten.
Er betrat die kahle und kalte Zelle, die keinerlei Möbelstücke enthielt und deren kalter Felsboden lediglich mit einer dünnen Lage schmutzigen Strohs versehen war. Es stank bestialisch nach Exkrementen, doch das nahm er kaum wahr, denn sein entsetzter Blick fror an der geschundenen Frauengestalt fest, die angekettet an der Wand hing. Wie in Trance trat der Junge näher und sah, dass die junge Frau, die ehemals sehr schön gewesen sein musste, gnadenlos geschunden worden war. Ihr stark abgemagerter Körper war über und über mit Wundmalen übersät, und ihr waren Finger- und Zehennägel offenbar brutal herausgerissen worden.
Schaudernd wandte sich Ragnor ab, um nun nach der kleinen Gestalt zu sehen, die gerade von einem der Soldaten in eine warme Decke gehüllt wurde. Er blickte, voller Mitleid, in ihr abgemagertes, kleines Gesicht mit den geschlossenen Augen und fragte den Soldaten, der sie, ebenfalls erschüttert über das, was er hier gesehen hatte, wie ein Neugeborenes im Arm hielt: "Wie geht es ihr denn? Ist sie schwer verletzt?""Ich weiß es nicht genau. Sie lebt zwar, ist aber sehr schwach und wurde bewusstlos, als wir ihr die Ketten abnahmen", antwortete der Soldat mit belegter Stimme und fuhr dann erschüttert fort: "Ich habe eine kleine Tochter im selben Alter. Wie kann ein Mensch einem Kind so was antun? Ihr Körper ist mit blauen Flecken übersät. Sie müssen sie brutal geschlagen haben. Ama sei Dank, hat sie keine offenen Wunden und auch Knochenbrüche konnte ich bei meiner ersten Untersuchung nicht feststellen."
Ragnor wurde von dem Leid des kleinen Wesens so vollkommen gefangen genommen, dass er seine Sorge um Lars und Tana für einen Moment vergaß und spontan zu dem Soldaten sagte: "Bitte gebt mir das Kind. Ich werde sie nach oben bringen, damit sie versorgt werden kann"; und mit
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