Der Weg nach Kaarborg: Ragnor Band 2 (German Edition)
den Stall brachte, und trug die kleine Mirana hoch in sein Zimmer, in dem ein zweites Bett stand. Das zierliche Mädchen war sehr erschöpft von dem ungewohnten Ritt, denn ihr stark abgemagerter Körper war noch sehr anfällig gegen Anstrengungen aller Art. Deshalb legte er sie, nachdem er sie in einem Zuber mit warmem Wasser gebadet hatte, in eines seiner Nachthemden gewickelt in das Bett unter dem Fenster, und gab ihr zum Schluss einen zärtlichen Kuss. Sie lächelte dankbar und kuschelte sich glücklich in das warme Bett."Ich werde dich zum Mittagessen wecken", sagte der Junge lächelnd. "Du musst jetzt tüchtig essen, damit du wieder zu Kräften kommst."Mirana hörte aber seine Worte bereits nicht mehr, denn sie war, eingehüllt von der wohligen Wärme des Bades und des Bettes, sofort eingeschlafen.
Leise schloss Ragnor die Tür und ging hinunter zu Lars, Menno und Hauptmann Kufur, die im Schankraum bei einem frischen Bier saßen. Menno sah auf, lächelte und rief der freundlichen Bedienung, einer strammen, vollbusigen Blondine, die ihm offenbar sehr gefiel, lautstark zu: "Crisana, meine Hübsche! Bitte bringe dem jungen Mann da auch ein Bier!"Die junge Frau lächelte zurück, und es schien Ragnor, als ob auch sie Gefallen an dem stämmigen Seemann gefunden hatte."Ja, Menno und die Frauen", murmelte Ragnor schmunzelnd. "Er ist schon immer ein großer Frauenheld gewesen.“Das hatte ihm Rurig mal auf einer ihrer Wachen auf der letzten gemeinsamen Jagd erzählt."Ragnor setzte sich und nahm dankbar das frische Bier entgegen, das die Schankmagd inzwischen hingestellt hatte. Er nahm einen tiefen Schluck und verfolgte dann das Gespräch der drei Männer.Der Hauptmann sagte soeben: "Meine Leutnants haben mir berichtet, dass bei der Beute einiges an Schmuckstücken und wertvollen Frauenkleidern zu finden war. Es könnte sein, dass die Sachen der Mutter des Mädchens gehört haben. Ich würde euch gerne all dies für das Mädchen mitgeben. Die Kleine hat ja nicht viel für einen neuen Start ins Leben und wird das Zeug gut gebrauchen können."An Ragnor gewandt fragte er dann: "Meinst du, dass das Mädchen vielleicht ein paar Sachen erkennt, damit ich eine offizielle Legitimation habe, Euch die Sachen mitzugeben? Das würde es mir einfacher machen. Und ich musste mir keine Ausrede einfallen lassen, warum sie kein offizieller Beuteanteil sind."Der Junge runzelte die Stirn, dachte einen Moment nach und meinte dann: "Ich weiß es nicht, aber es wäre möglich. Miranas Mutter hat ja offenbar ein paar Jahre als eine Art 'Geliebte' oder besser Sklavin des Kastellans agiert. Vielleicht hat Mirana da ein paar Sachen an ihr gesehen, und ihre Mutter hat ihr vielleicht über das eine oder andere Schmuckstück etwas erzählt. Ich denke, wir sollten ihr die Sachen nach dem Mittagessen einmal zeigen.""Dann ist es abgemacht", antwortete Hauptmann Kufur. "Ich werde veranlassen, dass heute Mittag ein erstklassiger Eintopf mit einer guten Fleischeinlage gekocht wird, damit das Mädchen wieder zu Kräften kommt. Sie ist ja nur noch ein Knochengerippe, das arme Ding."Lars, der ganz versunken über seinem Bierkrug gesessen hatte, sah auf und meinte: "Ich glaube, das ist eine gute Idee. Ich kann auch was Kräftiges zu Essen vertragen" und traurig, mit Tränen in den Augen, fuhr er mit zittriger Stimme fort: "Ich werde mich wohl daran gewöhnen müssen, nie wieder Tanas großartige Eintöpfe verkosten zu können."Ragnor griff spontan nach der Hand des alten Mannes, drückte sie mitfühlend und sagte tröstend: "Auch ich vermisse sie sehr. Sie war für mich die Mutter, die ich nie hatte. Lasse uns gemeinsam für Mirana sorgen, das wäre, glaube ich, ganz in Tanas Sinne, und schauen wir, dass wir so schnell wie möglich nach Burg Kaarborg kommen, damit ihr Rurig bei seiner schweren Aufgabe unterstützen könnt."
Der Alte atmete bei diesen Worten tief durch und drückte dankbar die Hand des Jungen, als er mit einer schon wieder etwas festeren Stimme sagte: "Du hast recht, mein Junge. Lasse uns nach vorne schauen und tun, was notwendig ist. Mein Bier ist eh gleich leer, also werde ich mal raus gehen und Maramba dabei helfen, unsere Sachen aus den Beutestücken heraus zu suchen und wieder auf unsere Wagen verladen zu lassen."Entschlossen leerte er seinen Krug, stand auf und ging mit festen Schritten hinaus. Die anderen sahen ihm hinterher, und Menno meinte dann, mit einem etwas melancholischen Lächeln, aber sehr zufrieden: "Das wird ihn ein wenig
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