Der Weg Nach Tanelorn
Ymryl für seine Versetzung hierher verantwortlich hält?«
»Ja. Ymryl wird in sein Gelbes Horn blasen, und Kalan will versuchen, irgendeine Formel zusammenzusetzen. Kalan glaubt jedoch nicht an einen Erfolg.«
»Das Horn ist Ymryl teuer, nicht wahr? Nimmt er es je ab?«
»Nie«, sagte Yisselda. »Der einzige, der Ymryl dazu bewegen könnte, es abzulegen, ist Arioch selbst.«
Die Zeit verging mit qualvoller Langsamkeit. Während Ilian sich auszuruhen versuchte, blies Yisselda die Lampe aus und beobachtete die Straßen. Sie stellte fest, dass immer noch Patrouillen nach Ilian suchten. Einige entdeckte sie sogar auf den Dächern. Aber endlich schienen sie die Suche aufzugeben, und Yisselda weckte Ilian, die inzwischen doch in unruhigen Schlummer gefallen war.
Yisselda schüttelte sie sanft an der Schulter. Ilian erwachte sofort, offenbar aus einem bösen Traum.
»Sie sind fort«, sagte Yisselda. »Ich glaube, wir können es nun wagen. Wollen wir durch die Tür auf die Straße hinausgehen?«
»Nein. Ein Seil würde uns gute Dienste leisten. Glaubt Ihr, im Haus ist irgendwo eines zu finden?«
»Ich werde nachsehen.«
Yisselda kehrte schon nach wenigen Minuten mit einem längeren Seil zurück, das sie sich um die Schultern geschlungen hatte. »Es war das längste, das ich finden konnte«, erklärte sie. »Meint Ihr, es ist genug?«
»Das wird sich herausstellen.« Ilian lächelte. Sie öffnete das Fenster ganz und blickte hoch. Der nächste stärkere Ast befand sich etwa zehn Fuß darüber. Ilian nahm das Seil, band eine Schlinge an einem Ende und rollte es so auf, dass es den gleichen Durchmesser wie die Schleife hatte. Dann schwang sie das Seil mehrmals über den Kopf, ehe sie es hochwarf.
Die Schleife schlang sich über den Ast und hielt, auch als Ilian fest daran zog.
»Ihr müsst auf meinen Rücken klettern«, wies Ilian Yisselda an. »Eure Beine um meine Mitte klammern und Euch an mir festhalten. Glaubt Ihr, Ihr schafft es?«
»Ich muss«, erwiderte Yisselda leise. Sie tat wie aufgefordert. Dann stieg Ilian mit ihrer Last auf das Fenstersims. Sie griff nach dem Seilende, wickelte es sich zweimal um das Handgelenk, umklammerte es mit beiden Händen, dann schwang sie sich hinaus über die Hausdächer. Fast hätte sie dabei das Türmchen der alten Handelshalle gestreift. Ihre Füße fanden einen Ast, während sie gleichzeitig mit ihrer ganzen Kraft mit den Händen versuchte, Halt am Ast darüber zu finden. Da begannen ihre Füße zu rutschen. Yisselda griff nach dem oberen Ast, zog sich daran hoch, legte sich mit dem Bauch darüber und half Ilian herauf. Keuchend lagen sie nebeneinander auf dem mächtigen Ast.
Als sie wieder zu Atem gekommen waren, sprang Ilian hoch. »Folgt mir«, bat sie. »Streckt die Arme seitwärts aus, damit Ihr Euer Gleichgewicht besser halten könnt, und schaut nicht in die Tiefe.«
Sie rannte den Ast entlang.
Mit zitternden Knien folgte Yisselda ihr.
Am frühen Morgen hatten sie das Lager erreicht.
Katinka van Bak eilte aus der Hütte, die sie sich selbst aus alten Brettern gebaut hatte, und strahlte über das ganze Gesicht. »Wir hatten Angst um Euch«, sagte sie. »Selbst die, die behaupten, Euch so sehr zu hassen. Die anderen, die mit Euch ausgezogen waren, kamen ungehindert mit den Flammenlanzen zurück. Das war eine gute Beute.«
»Wunderbar. Und ich habe einiges erfahren, das uns von Nutzen sein wird.«
»Gut. Sehr gut! Doch jetzt möchtet Ihr sicher zuerst ein ordentliches Frühstück, und zweifellos wollt Ihr Euch ausruhen. Aber wer ist das?« Jetzt erst schien Katinka van Bak die junge Frau im schmutzigen weißen Kleid zu bemerken.
»Sie heißt Yisselda von Brass. Genau wie Ihr ist sie nicht von Garathorm …«
Ilian sah, wie ungeheures Erstaunen über Katinka van Baks Züge flog. »Yisselda? Graf Brass’ Tochter?«
»Ja«, rief Yisselda erfreut, dass man sie kannte. »Leider jedoch ist Vater tot. Er fiel in der Schlacht von Londra.«
»Nein, nein! Er ist zu Hause auf Burg Brass! So hatte Falkenmond also doch recht! Ihr lebt! Das ist das Seltsamste, das ich je auch nur gehört habe – aber auch das Erfreulichste!«
»Ihr habt Dorian gesehen? Wie geht es ihm?«
»Oh …« Katinka van Bak schien offensichtlich verlegen. »Es geht ihm gut. Er war krank, aber alles spricht dafür, dass er sich wieder völlig erholen wird.«
»Ich möchte so schnell wie möglich zu ihm. Er befindet sich nicht auf dieser Ebene?«
»Das ist bedauerlicherweise nicht
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