Der Weg Nach Tanelorn
das Gewinde unterhalb der Spitze, denn die Rubine selbst waren unzerbrechlich. Die Krieger würden Schwierigkeiten haben, die Lanzen zu reparieren, wenn das überhaupt noch möglich war. Jedenfalls war das das Beste, was sie tun konnte.
Sie hörte heftige Stimmen im Freien. Leise schlich sie zum nächsten Fenster und spähte durch einen Spalt im Laden hinaus.
Andere Soldaten waren nun auf der Straße zu sehen. Ihrem Äußeren nach gehörten sie zu jenen, die Ymryl zu seiner Leibwache auserkoren hatte. Zweifellos hatte er sie geschickt, um die Unruhe im Keim zu ersticken. Ilian musste Ymryl gegen ihren Willen bewundern. Er schien sich nicht viel um diese Dinge zu kümmern, und trotzdem handelte er immer sofort, wenn Gefahr für die Einigkeit in seinem Lager drohte. Die Soldaten brüllten auf die bereits gegeneinander kämpfenden Menschen und Nichtmenschen ein und zwangen sie dazu, ihre Waffen niederzulegen.
Ilian kletterte zum Speicher hoch, wo ihr Trupp gerade die letzte Lanze durch die Öffnung im Dach schob.
»Verschwindet jetzt, schnell!« flüsterte sie.
»Und Ihr, Königin Ilian?« fragte der junge Mann, der den Krieger getötet hatte.
»Ich komme nach. Ich muss erst noch versuchen, hier etwas zu Ende zu bringen.«
Sie sah ihnen nach, bis auch der letzte durch die Öffnung verschwunden war, dann kehrte sie ins Erdgeschoß zurück und machte sich daran, die Spitzen der übrigen Flammenlanzen abzuschrauben. Als sie das Gewinde der letzten zerschmetterte, hörte sie aufgeregte Schreie. Wieder spähte sie durch den Spalt im Fensterladen.
Mehrere der Männer auf der Straße deuteten auf das Dach des Waffenhauses. Ilian schaute sich nach ihrer eigenen Waffenlanze um, bis ihr klar wurde, dass die anderen auch sie mitgenommen hatten. Ihr war nur ihr Schwert geblieben. Hastig kletterte sie durch die Falltür auf den Speicher und schwang sich durch die selbstgeschaffene Öffnung im Dach.
Und schon hatte man sie entdeckt!
Ein Pfeil schwirrte so dicht an ihrer Schulter vorbei, dass sie sich unwillkürlich duckte und dabei ihren Halt auf dem First verlor. Sie rollte das Dach auf der anderen Hausseite herunter. Doch schon kam auch hier eine ganze Meute angerannt. Es gelang ihr gerade noch, sich am Dachrand festzuhalten, als sie darüber rutschte. Ihre Arme wurden ihr fast aus den Schultern gerissen, während sie daran hing. Von links und rechts und hinter ihr pfiffen Pfeile auf sie zu. Ein paar prallten gegen ihren Helm und den Kettenpanzer, drangen jedoch glücklicherweise nicht hindurch. Irgendwie fand sie einen Fußhalt und konnte sich wieder aufs Dach stemmen. Sie kletterte geduckt am Rand entlang und hielt verzweifelt Ausschau nach einem tiefhängenden Zweig, zu dem sie hochspringen könnte. Aber keiner befand sich in erreichbarer Nähe. Und nun tauchten am First die ersten Krieger auf. Sie hatten also inzwischen festgestellt, was mit ihren Waffen geschehen war und wie die Diebe ins Haus gelangt waren. Sie hörte ihre wütenden Schreie und war froh, dass sie noch einmal umgekehrt war, um die restlichen Flammenlanzen unschädlich zu machen. Hätten sie sie jetzt noch, wäre sie bereits tot.
Endlich hatte sie den hinteren Giebel erreicht und machte sich daran, zum Nachbarhaus zu springen. Es war die einzige Möglichkeit, noch zu entkommen.
Sie stieß sich mit aller Kraft ab und sprang ins Leere, die Hände nach der Giebelverzierung des nächsten Hauses ausgestreckt. Und tatsächlich gelang es ihr, die Finger um das kunstvolle Schnitzwerk zu klammern. Doch es gab unter ihrem Gewicht nach. Sie hörte, wie es sich knarrend löste. Sie sah sich schon in die Tiefe stürzen, aber dann hielt die Giebelzier doch noch, und sie konnte sich hochziehen. Aber inzwischen hatte man sie wieder entdeckt. Erneut schwirrten die Pfeile auf sie zu. Hastig sprang sie auf das nächste, etwas nähere Haus. Mit Entsetzen wurde sie sich bewusst, dass sie so immer tiefer in die Stadt geriet. Wie sehr sie hoffte, ein Ast würde doch endlich weit genug herabhängen, dass sie ihn erreichen könnte. In den Bäumen hätte sie viel eher eine Chance zu entkommen. Doch inzwischen war es ihr ein Trost, dass ihre Kameraden sich in die entgegengesetzte Richtung mit den Flammenlanzen in Sicherheit bringen konnten.
Nach drei weiteren Dächern hatten ihre Verfolger sie zumindest für den Augenblick verloren. Aber es war ihr klar, dass ihre Gnadenfrist nicht lange währen würde.
Wenn sie ins Innere eines der Häuser gelangen und sich dort verstecken
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