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Der Weg Nach Tanelorn

Der Weg Nach Tanelorn

Titel: Der Weg Nach Tanelorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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schließlich durch Aigues-Mortes ritten. Die Bürger hatten sich am Straßenrand gesammelt, um Graf Brass Lebewohl zu wünschen und ihm nachzuwinken. Schließlich erreichte der kleine Trupp das Tor und den breiten Weg durch die Marschen. Bis sie außer Sicht waren, verfolgte Falkenmond sie mit den Augen, dann erst wandte er sich vom Fenster ab und beschäftigte sich wieder mit seinen winzigen Modellfiguren.
    Gegenwärtig arbeitete er eine Situation aus, in der man ihm das Schwarze Juwel nicht eingepflanzt hatte. In ihr gab es zwar Oladahn von den Bulgarbergen, nicht aber die Legion der Morgenröte. Hätte in diesem Fall das Dunkle Imperium geschlagen werden können? Und wenn ja, wie hätte es sich ermöglichen lassen? Er erreichte den Punkt, an dem er schon Hunderte Male angelangt war: die Schlacht von Londra. Aber diesmal, zum ersten Mal kam ihm der Gedanke, dass ja auch er hätte fallen können.’ Hätte das Yisseldas Leben gerettet?
    Wenn er hoffte, durch diese Permutationen vergangener Ereignisse einen Weg zu finden, um die Wahrheit zu ergründen, die er tief in seinem Gehirn versteckt glaubte, so schlug es auch diesmal fehl. Er beendete die mit dieser Möglichkeit verbundenen Taktiken, er registrierte die neuentstehenden Eventualitäten, und überdachte die nächsten Entwicklungen. Er wünschte, Bowgentle wäre nicht in Londra gefallen. Bowgentle hatte viel gewusst und hätte ihm vielleicht jetzt helfen können.
    Aber was das betraf, kämen vielleicht auch die Kuriere, die Gesandten des Runenstabs in Betracht – der Ritter in Schwarz und Gold, Orland Fank oder sogar der mysteriöse Jehamiah Cohnahlias, der nie von sich behauptet hatte, menschlich zu sein. Im Dunkel vieler Nächte hatte er hilfesuchend nach ihnen gerufen, aber sie waren nicht gekommen. Der Runenstab war nun in Sicherheit, und sie bedurften Falkenmonds nicht mehr. Er hatte sich von ihnen im Stich gelassen gefühlt, obwohl er wusste, dass sie ihm zu nichts verpflichtet waren.
    Aber konnte nicht vielleicht der Runenstab irgendwie mit den Geschehnissen verwickelt sein, die ihn betrafen? War dieses seltsame Artefakt vielleicht einer neuerlichen Gefahr ausgesetzt? Hatte es eine weitere Reihe von Ereignissen in Bewegung gesetzt – ein neues Schicksalmuster zu weben begonnen? Falkenmond hatte irgendwie das Gefühl, dass seiner Situation mehr anhaftete, als die normalen, sichtbaren Tatsachen schließen ließen. Er war vom Runenstab und seinen Dienern genauso manipuliert worden, wie er jetzt seine Zinnsoldaten bewegte. Zog der Runenstab vielleicht wieder an den Fäden, die ihn zu seiner Marionette machten? Hatte er sich deshalb seinen Modellfiguren zugewandt, um sich selbst etwas vorzumachen – um zu glauben, dass er zumindest sie manipulieren konnte, wenn doch in Wirklichkeit er manipuliert wurde.
    Er schob diesen Gedanken zur Seite. Er musste sich seinen ursprünglichen Überlegungen widmen.
    Und so vermied er, den Tatsachen ins Auge zu sehen.
    Indem er vortäuschte, die Wahrheit zu suchen, gelang es ihm, der Wirklichkeit zu entkommen. Denn die Realität seiner Lage wäre möglicherweise unerträglich für ihn gewesen.

 
3. Eine Lady in eiserner Rüstung
     
    Ein Monat verging.
    Zwanzig Möglichkeiten probierte Falkenmond inzwischen mit seinen Modellen aus. Doch sie brachten ihm Yisselda nicht näher, nicht einmal in seinen Träumen.
    Unrasiert, mit roten Augen, das Gesicht voll Pickel, die Haut schuppig, schwach vor unterbliebener Nahrungsaufnahme, und schlaff von Mangel an körperlicher Tätigkeit, erinnerte nichts mehr an den Helden, weder geistig, charakterlich, der Dorian Falkenmond einst gewesen. Er sah dreißig Jahre älter aus, als er tatsächlich war. Seine Kleidung – schmutzig, zerrissen, stinkend – schien die eines Bettlers zu sein. Sein ungewaschenes Haar hing in fetten Strähnen in sein Gesicht. Sein Bart wies hässliche Flecken und Spuren undefinierbarer Substanzen auf. Er hatte sich angewöhnt, mit sich zu reden, sich häufig zu räuspern und zu hüsteln. Seine Diener gingen ihm aus dem Weg, wo sie konnten. Er hatte selten Grund, sie zu rufen, und so fiel ihm ihre Abwesenheit auch gar nicht auf.
    Bis zur Unkenntlichkeit hatte er sich verändert, dieser Mann, der der Held von Köln, der Diener des Runenstabs, der ruhmreiche Krieger gewesen war, der die Unterdrückten zum Sieg über das Dunkle Imperium geführt hatte.
    Sein Leben schwand von ihm, auch wenn er selbst es nicht bemerkte.
    In seiner Besessenheit mit alternativen

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