Der Weg Nach Tanelorn
und öffnete die Lippen, um zu sprechen, doch dann war es plötzlich verschwunden.
Falkenmond zog das schmutzige seidene Bett-Tuch über den Kopf und blieb am ganzen Leib zitternd liegen. Er hatte das Gefühl, dass der Wahnsinn nach ihm griff. Graf Brass hatte vielleicht doch recht gehabt, wenn er behauptete, er habe die fünf Jahre lang Halluzinationen nachgehangen.
Später erhob Falkenmond sich doch und zog seinen Spiegel unter den Decken hervor, mit denen er ihn vor ein paar Wochen verdeckt hatte, weil er sein Spiegelbild nicht sehen wollte.
Er starrte auf die heruntergekommene Gestalt, die durch das staubige Glas zurückstierte.
»Ich sehe einen Wahnsinnigen«, murmelte Falkenmond. »Einen sterbenden Irren!«
Das Spiegelbild äffte die Bewegungen seiner Lippen nach. Die Augen wirkten verstört. Über ihnen, in Stirnmitte, war eine bleiche kreisrunde Narbe zu erkennen, wo einst das Schwarze Juwel geglüht hatte, jener Edelstein, der das Gehirn eines Menschen zerstören konnte.
»Es gibt noch andere Dinge, die an eines Mannes Verstand zehren«, murmelte der Herzog von Köln. »Weniger sichtbare Dinge als Juwelen, schlimmere Dinge! Mit welcher Schläue doch die Lords des Dunklen Imperiums noch nach ihrem Tod nach mir greifen, um sich zu rächen. Indem sie Yisselda mordeten, brachten sie auch mir den allmählichen Tod.«
Er bedeckte seinen Spiegel wieder und seufzte abgrundtief. Schwerfällig kehrte er zu seinem Bett zurück und setzte sich nieder. Aber er wagte es nicht mehr, zur Decke hochzublicken, wo er den Mann gesehen hatte, der Oladahn ähnelte.
Er fand sich mit der Tatsache seines Elends, seines baldigen Todes und seines Wahnsinns ab. Müde zuckte er die Schultern.
»Ich war ein Krieger«, murmelte er, »und wurde zum Narren. Ich machte mir etwas vor. Ich glaubte, ich könnte erreichen, was geniale Wissenschaftler und Zauberer erreichen, was Philosophen ergründen. Doch dazu war ich nie fähig. Stattdessen verwandelte ich mich von einem vernünftigen Mann zu diesem erbärmlichen und kränklichen Bündel aus Haut und Knochen. Und hör mir zu, Falkenmond! Du redest mit dir selbst! Du murmelst, du phantasierst, du wimmerst. Dorian Falkenmond, Herzog von Köln, es ist zu spät zur Umkehr. Du verrottest!«
Ein schwaches Lächeln huschte über seine Lippen. »Deine Bestimmung war es, zu kämpfen, ein Schwert zu schwingen, die Riten des Krieges zu zelebrieren. Und nun sind Tische zu deinem Schlachtfeld geworden, und du hast die Kraft verloren, auch nur einen Dolch zu führen, viel weniger ein Schwert. Du könntest nicht einmal mehr auf einem Pferd sitzen, wenn du es wolltest.«
Er ließ sich auf sein schmutziges Kissen zurückfallen und barg sein Gesicht unter den Armen. »Mögen die Kreaturen kommen«, brummte er. »Mögen sie mich quälen. Es stimmt! Ich bin wahnsinnig!«
Er zuckte zusammen, denn er glaubte, jemanden neben sich ächzen gehört zu haben. Er zwang sich, nachzusehen.
Die Tür war knarrend aufgeschwungen, als ein Diener sie geöffnet hatte. Er stand jetzt verlegen an der Tür.
»Mein Lord?«
»Sind sie alle überzeugt, dass ich wahnsinnig bin, Voisin?«
»Mein Lord?«
Der Diener war ein alter Mann, ein Greis, einer der wenigen, die sich noch regelmäßig um Falkenmond kümmerten. Er diente ihm treu, seit der Herzog von Köln das erste Mal auf Burg Brass gekommen war. Trotzdem senkte er jetzt verlegen die Augen.
»Sie halten mich also alle für wahnsinnig, ja, Voisin?«
Der Greis breitete hilflos die Hände aus. »Manche, mein Lord. Andere sagen, Ihr seid krank – eine körperliche Krankheit. Ich mache mir schon seit einer Weile Gedanken, ob wir nicht vielleicht einen Arzt rufen sollten …«
Ein wenig des alten Argwohns kehrte zurück. »Ärzte? Giftmischer?«
»O nein, mein Lord!«
Falkenmond riss sich zusammen. »Nein, natürlich nicht. Ich danke dir für deine Sorge, Voisin. Was hast du mir gebracht?«
»Nichts, mein Lord, außer Neuigkeiten.«
»Von Graf Brass? Wie gefällt es ihm in Londra?«
»Nicht von Graf Brass. Von einem Besucher. Ein alter Freund des Grafen, wenn ich richtig gehört habe. Als er erfuhr, dass der Graf sich auf Reisen befindet und Ihr ihn hier vertretet, bat er, Ihr möget ihn empfangen.«
»Ich?« Falkenmond grinste grimmig. »Wissen sie, dort draußen in der Welt, was aus mir geworden ist?«
»Ich glaube nicht, mein Lord.«
»Was hast du gesagt?«
»Dass Ihr Euch nicht wohl fühlt, ich Euch aber die Botschaft überbringen würde.«
»Und das
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