Der Weg Nach Tanelorn
meine Geschicklichkeit zu zeigen, und allmählich wurde es Prinz Lobkowitz klar, dass er sich besser anstrengen musste, um sich zu verteidigen. Es wurde ihm bewusst, wie ich merkte, dass er gegen einen Gegner kämpfte, der ihm sehr wohl ebenbürtig sein mochte. Der Gedanke, von einem Sklaven – schlimmer noch, einer Sklavin! – geschlagen zu werden, war nicht angenehm. Er begann jetzt ernsthaft zu fechten. Er fügte mir zwei Verletzungen zu – eine auf der linken Schulter, die andere am Oberschenkel. Aber ich beachtete sie nicht. Und nun, wie ich mich erinnere, herrschte absolute Stille in dem großen Saal, wenn man vom Klirren der Klingen und Prinz Lobkowitz’ keuchendem Atem absah. Eine ganze Stunde fochten wir. Er hätte mich getötet, wenn es ihm gelungen wäre.«
»Ich entsinne mich«, murmelte Falkenmond nachdenklich, »an eine Geschichte, die von Mund zu Mund ging, als ich noch in Köln herrschte. So seid Ihr also die Frau, die …«
»Die Prinz Lobkowitz in Berlin im Zweikampf das Leben nahm. Richtig. Vor seinen eigenen Gästen, in der Gegenwart seiner Leibwachen tötete ich ihn. Mit einem sauberen Stich ins Herz machte ich ihm ein Ende. Er war der erste, der durch meine Klinge fiel. Und ehe die Zuschauer sich noch entschieden hatten, ob sie ihren Augen trauen konnten, hob ich meinen Degen und erinnerte sie an die Abmachung – dass ich durch einen Sieg über den Prinzen meine Freiheit wiedergewänne. Ich bezweifle, dass auch nur einer aus des Prinzen näherem Gefolge sich an diese Abmachung gehalten hätte. Sie würden mich an Ort und Stelle umgebracht haben, währen nicht Lobkowitz’ Freunde gewesen und jene, die ein Auge auf seine Ländereien geworfen ‚hatten. Mehrere von ihnen kamen herbeigerannt und boten mir eine Stellung in ihrem Haus oder auf ihrem Hof an. Natürlich nicht meiner Geschicklichkeit im Fechten wegen, sondern weil ich etwas war, mit dem sie angeben konnten. Ich nahm einen Posten im Wachbataillon von Guy O’Pointte an, dem Erzherzog von Bavarien. Und zwar entschied ich mich sofort dafür, denn der Erzherzog hatte die an Zahl stärkste Leibwache bei sich, da er einer der mächtigsten der anwesenden Edlen war. Danach entschloss sich das Gefolge des Prinzen, die Abmachung zu akzeptieren.«
»Und so wurdet Ihr zum Krieger?«
»Ja. Mit der Zeit arbeitete ich mich zum Generalfeldmarschall Guy O’Pointtes hoch. Als der Erzherzog von der Familie seines Onkels ermordet wurde, verließ ich die Dienste Bavariens und suchte eine neue Position. Damals lernte ich Graf Brass kennen. Wir dienten als Söldner in gut der Hälfte aller Armeen in Europa – und häufig auf der gleichen Seite! Zur ungefähr selben Zeit, als Graf Brass sich hier in der Kamarg niederließ, ritt ich ostwärts und trat in den Dienst des Prinzen von der Ukraine als Berater seiner Streitmächte. Wir haben eine gute Verteidigung gegen die Legionen des Dunklen Imperiums aufgestellt.«
»Seid Ihr in die Gefangenschaft der Tierlords geraten?«
Katinka van Bak schüttelte den Kopf. »Ich flüchtete zu den Bulgarbergen, wo ich blieb, bis Ihr und Eure Gefährten in der Schlacht von Londra das Blatt wendeten. Danach wurde es meine Aufgabe, die Ukraine wiederaufzubauen. Die einzige Überlebende der königlichen Familie war die jüngste Nichte des Prinzen, und sie war noch ein Kind. Also wurde ich ohne mein Dazutun Regentin der Ukraine.«
»Und Ihr habt dieser Stellung nun entsagt? Oder besucht Ihr uns lediglich inkognito?«
»Weder das eine, noch das andere«, erwiderte Katinka van Bak kurz, und es klang ein wenig, als wiese sie Falkenmond zurecht, weil er ihr vorgriff. »Ein Feind drang in die Ukraine ein und eroberte sie.«
»Wa-as? Wer war es? Ich glaubt die Welt befände sich in relativem Frieden!«
»So ist es auch. Oder war es zumindest, bis wir, die wir östlich der Bulgarberge leben, von einer Armee hörten, die sich in den Bergen sammelte.«
»Die Unverbesserlichen des ehemaligen Dunklen Imperiums!« rief Falkenmond.
Katinka van Bak hob Schweigen gebietend die Hand. »Es war eine Vagabundenarmee«, fuhr sie fort. »Ja, das war es zweifellos. Aber ich glaube nicht, dass es sich um Überreste der Legionen des Dunklen Imperiums handelte. Obgleich sie wirkungsvolle Waffen hatten, glich doch kein einziger der Krieger dem anderen. Sie trugen die unterschiedlichste Kleidung und jeder andere Arten von Waffen, und sie waren verschiedenster Rassen – einige davon zweifellos nicht menschlich! Ihr versteht doch? Jeder sah
Weitere Kostenlose Bücher