Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert
horrendes Geld, aber sie wurden gekauft. Die ganze Familie hat sich gefreut: Mama bekommt schöne Schuhe! Sie war mein erstes Model, ich habe später alles für sie genäht. Aber es war ganz oft so, dass sie sich etwas wünschte und es dann kaum trug. Einmal hatte ich ihr ein blau-schwarzes Abendkleid geschneidert, zum Innungsball meines Bruders. Kurz vor dem Ball kriegte sie Migräne, sagte ab und wir saßen dumm rum. Sie hatte oft Migräne. Meine schönste Kindheitserinnerung sind unsere regelmäßigen Bridgeabende. Mir gefiel das Haptische: das Mischen, Austeilen, Stecken der Karten, der ganze Ritus. Meine Eltern spielten mit mir und meinem Bruder auf gleicher Augenhöhe. Damit das Spiel nicht unterbrochen wurde, stand eine Platte mit Schnittchen bereit.
Nach der mittleren Reife habe ich dann eine Lehre in einer Zwischenmeisterei am Kurfürstendamm gemacht, in einem Salon mit Louis-quinze-Sesseln. Es war die Zeit von Dior. Abends habe ich die Zuschnitte mit nach Hause genommen und auf meine Schneiderpuppe modelliert, die ich mir zusammengespart hatte. Es war das Größte, wenn mir die Kopie gelang. Als 22 -Jähriger hätte ich nach Paris gehen können. Ich hatte vier Jahre in der Schweiz gearbeitet, in der Modebranche standen mir viele Türen offen. Meine Mutter drangsalierte mich jedoch, zurückzukommen. Ich habe nachgegeben, ich wurde die rechte Hand des Berliner Modeschöpfers Günter Brosda und habe dann Bekleidungstechnik studiert. Mein erster Auftrag als selbständiger Couturier war ein weißes Paillettenkleid mit Straußenfedern. Ich dachte, ich mache mir in die Hose, als ich den Preis nannte. Mitte der 60 er Jahre berichtete der Tagesspiegel über die Präsentation meiner ersten Kollektion in meiner Dachmansarde.
Meine Modenschauen sind für mich immer noch der Höhepunkt des Jahres. Es ist ein ungeheures Glücksgefühl, wenn meine Kleider zum Leben erwachen. Kürzlich, in Hamburg, habe ich nur einen Mantel verkauft. Aber das macht mir nichts aus. Ich weiß, ich habe mein Bestes gegeben.
Dass ich beruflich nicht nachlasse, macht mich stolz und glücklich. Erfolg muss immer neu erkämpft werden. Wichtig ist, dass man die Persönlichkeit einer Kundin erfasst. Manche Frauen kriegen vor dem dreiteiligen Spiegel etwas Divenhaftes. Der Kopf wird höher, die Schultern werden gerader, die Beinstellung ändert sich. Dann weiß ich: Du hast es richtig gemacht. Neulich bestellte eine Kundin ein Kleid zu ihrem 50 sten Geburtstag. Sie erwartete über hundert Gäste. Ich überlege dann: Was erfüllt alle Kriterien? Als Gastgeberin muss sie schnell überall sein, es darf nichts verrutschen, das Kleid soll sie und ihre Position darstellen, es muss ihrem Mann gefallen, und ich möchte auch noch vorkommen. Ich habe ihr dann eine Art Stewardesskostümchen aus schwarzem Duchesse genäht, mit klitzekleinen beigefarbenen Tupfen. Und ich muss sagen: Sie sah sensationell aus. Ich bin vor Freude fast in die Knie gegangen.
Persönlich ging mein Glück eigentlich erst mit 40 los, als ich meinen langjährigen Partner Reinhard kennenlernte. Für mich hat Leben schon sehr viel mit Erotik zu tun. Es gibt so viele Leute, die nie guten Sex hatten. Wenigstens einmal muss man eine Beziehung erlebt haben, von der man sagen kann: »Das war es.«
Dass ich schwul bin, ahnte ich schon mit zwölf. Im Freibad guckte ich immer den Jungs nach, einmal vergaß ich absichtlich meine Badehose, damit ich eine mieten konnte. Als ich sie anzog, dachte ich: Na, wer war da vor mir drin? Insgesamt hatte ich nicht viele Beziehungen, in die ich mein Herz reingehängt habe. Aus manchen Liebesgeschichten habe ich mich einfach weggedreht. Ich will dann meine Haut retten. Das, was ich mir als Persönlichkeit aufgebaut habe, muss bewahrt bleiben. Doch bedauert habe ich eine Affäre nie. Wenn eine Beziehung zu Ende geht, muss man sich fragen: Was war denn gut? Irgendetwas muss ja gut gewesen sein. Und wenn man gemeinsam nur eine wunderbare Nacht hatte, dann war es eben die eine wunderbare Nacht. Wenn man eine Beziehung im Nachhinein entwertet, dann taugte sie auch nichts.
Mein erster Freund war Fotograf, wohnte in einer Souterrainwohnung und war so arm, dass er seine Kamera immer wieder in die Pfandleihe brachte. Aber das bisschen, was er besaß, musste so schön sein, dass er jeden Tag Freude daran hatte. Er hat sich von »Thomas« Porzellan gekauft: eine Teekanne, zwei Tassen und eine Zuckerdose, das kostete ein Schweinegeld. Wir saßen in seinem kleinen
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