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Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert

Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert

Titel: Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina von Kleist
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ist bunt.
    Fünf bis sieben Prozent aller Deutschen sind suchtabhängig, vermeldet die Statistik. Bis zu drei Millionen Alkoholiker greifen zur Flasche, knapp zwei Millionen schlucken regelmäßig Tabletten, etwa eine halbe Million Junkies puschen sich mit illegalen Drogen auf. Die stimmungsausgleichende Pille »Fluctin« findet weltweit reißenden Absatz, Psychopharmaka ebnen nicht nur psychische Erkrankungen ein, sondern dämpfen auch normale Gefühlsschwankungen, die Wirkung von »Designerdrogen« ist auf spezielle Erlebniswünsche zugeschnitten. Neben stofflichen Rauschmitteln gibt es auch andere Formen der Sucht. Etwa 200 000 Deutsche haben sich dem Glücksspiel verschrieben. Unzählige dröhnen sich mit Computerspielen, Fernsehen und Internet voll. 46
    Unser Wirtschaftssystem basiert darauf, ständig diffuse Wünsche zu wecken, die auf käufliche Güter umgeleitet werden können. Ein Teil des Überangebots hat keinen anderen Zweck, als beim Konsumenten kurzfristig positive Gefühle hervorzurufen, der Gebrauchswert tritt angesichts des Designs und der pompösen Verpackung in den Hintergrund. Die seit den 90 er Jahren um sich greifenden Events reichen von der Inszenierung mittelalterlicher Lebensweisen bis zur Love-Parade. »Das Paradies hat die Telefonnummer des Club mediterrané« lautete ein Werbeslogan. Lustvolle Abwechslung versprechen Swingerclubs, in Berlins AquaDom blubbern sich Hochzeitspaare das Jawort unter Wasser zu. Extreme Sportarten wie Bungee-Jumping, Rafting und Canooing versetzen– »no risk, no fun« – den Adrenalinkick, während uns gleichzeitig überdachte Shopping-Malls vor jedem Regentropfen schützen.
    »Man muss sich nur das Vergnügen von Menschen anschauen, um ihre Misere zu begreifen«, beklagte der Soziologe Theodor Adorno die Kulisse unserer Gaudis, hinter der oft der Entschluss hervorlugt, auf Teufel komm raus lustig zu sein. War für das Gros der Bevölkerung ehemals Freizeit so knapp bemessen, dass man sich über deren Gestaltung nicht den Kopf zerbrach, so investieren wir nun viel arbeitsfreie Zeit in die Planung unserer Amüsements. »In der Konsumgesellschaft lauter der heimliche Befehl: Du musst dich gut fühlen! Der Terror der guten Laune ist allgegenwärtig, und die Modelle fürs Glück liefert in allen Varianten die Werbung… Man kann das Glück sogar trinken: Glück, glück, glück, macht die Flasche. Die Botschaft des Marketing lautet: Du kannst alles haben… Wenn du nicht glücklich bist, bist du irgendwie selbst schuld« 47 , beschreibt Heiko Ernst Marktgesetze, die wir durchaus durchschauen. Trotzdem scheuen wir oft davor zurück, die Mühsal eines tieferen Glücks auf uns zu nehmen. »Don’t worry, be happy« wirbt ein Schlagertitel für fortwährende Champagnerlaune. Was das Leben lebenswert macht, soll möglichst gleich stattfinden, auch wenn es nur das Glück von der Stange ist. Auch die »Glotze« behelligt uns immer weniger mit Tiefschürfendem. Und verschmelze mit dem Zuschauerwunsch, Schmerz und Elend bloß nicht zu nah an sich rankommen zu lassen, diagnostiziert der Fernsehmoderator und Publizist Roger Willemsen: »Das Unglück hat keine telegenen Formen. Ich kann einen wirklich unglücklichen Menschen kaum vor die Kamera setzen… Gefragt ist nur die schnelle Träne. Die muss rasch gemolken werden und rasch trocknen, dann weidet sich der Zuschauer auf parasitäre Weise am Unglück.« Vor einer Sendung, erzählt der ehemalige Talkmaster, habe ihn ein Freund mal gefragt: »Na, gehste Steine melken?« 48
    Bildlich ausgedrückt, besetzt die »Spaßgesellschaft« jedoch nur einige der vielen Warteräume. Denn ihre Hinwendung zu Profanem ruft zunehmend eine Sehnsucht nach Spiritualität hervor. In atheistischen Gesellschaften stillt die boomende Esoterikszene den Durst nach Transzendenz, in Sekten blüht der Aberglaube wieder auf. »In der wissenschaftlich entzauberten Welt, in der der Glaube an Gott verlorengegangen ist, glauben die Menschen nicht nichts, sondern alles« 49 , beleuchtet der 74 -jährige Theologe Fulbert Steffensky das breit gestreute Verlangen, sich zu verankern in Ersatzreligionen, um die sich windige Gurus kümmern. In einer Zeit, in der sich verfügbares Wissen alle vier Jahre verdoppele, nimmt der Wunsch nach Orientierungshilfe, persönlichen Gewissheiten und innerer Beheimatung zu.
    Doch auch in seriösen gesellschaftlichen Bewegungen suchen Menschen einen tieferen Lebenssinn und elementares Erleben, das in einem wattierten und

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