Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert
Eileiteroperation wurde mir klar: Es gibt etwas in dir, das eine Grenze nicht kennt. Eine Riesenkehrtwende passierte in meiner Gesprächstherapie. Meine Therapeutin hat gar nicht lange in meiner Familiengeschichte gebohrt, ihr Hauptakzent lag darauf: »Welche Strukturen helfen dir, damit du dich nicht verzettelst? Du leckst wie ein Fass mit Löchern.« Sie hat mir geholfen, für mein Leben einen Fahrplan zu finden, mit dem ich meine Kraft halten kann. Immer, wenn ich mich zu vage ausdrückte, bestand sie auf klaren Sätzen. Auf ihren Rat hin habe ich mit Farbe meine Termine im Kalender markiert: Hier arbeite ich, hier ist Mittagspause, hier gibt es eine Ruhephase, hier schlafe ich und werde nicht bis in die Nacht telefonieren. Irgendwann fiel mir auf: Ich erzähle nicht mehr in neurotischen Wiederholungsschleifen, was mich alles belastet, ich erzähle, was mir alles gelingt.
Durch meine Therapie schaffte ich es auch, mich von Kampffeldern zurückzuziehen. Wenn ich merke, dass Menschen ihren Aggressionen freien Lauf lassen, beende ich Gespräche sehr schnell. Früher bin ich oft in die Gegenattacke gegangen. Wenn ich heute Wut empfinde, und das tue ich Gott sei Dank noch, bin ich nach kurzem damit durch. Gleichgültig werde ich nicht, ich gehe wie beim japanischen Aikido durch Gefühle hindurch und nicht in den Kampf. Bildlich gesprochen, lade ich die Texte anderer nicht mehr in mich hinein, sondern ziehe meine Antenne wieder ein. Ich würde sagen: 80 Prozent der Gedanken und Emotionen, die wir haben, sind nicht unsere. Es ist spannend herauszufinden, was uns selber ausmacht und wo wir in Interaktion mitschwimmen.
Natürlich ist das Leben oft schwierig. Aber mir ist inzwischen bewusst: Wer sein Dasein als Kampf empfindet, führt oft einen Kampf mit sich selber aus. Unzufriedene Menschen fokussieren ihren Blick gern darauf, was draußen alles nicht stimmt. Sie können sich ewig damit aufhalten, dass der Busfahrer grantig war oder sie beim Arzt warten mussten. Unfreundliche Leute trifft man überall, ich beziehe ihre schlechte Laune jedoch nicht mehr auf mich, räume ihnen einfach nicht mehr so viel Platz ein. Meine Aufmerksamkeit richtet sich auf glückliche Menschen, von ihnen habe ich mir viel abgeschaut. Ich schätze Menschen, die wahrhaftig, neugierig sind, Grips haben und über sich selbst lachen können. Bei Problemen versinken sie nicht in dieser Schwere, sondern suchen aus verschiedenen Blickwinkeln nach einer Lösung. Man merkt, sie sind in einem Prozess, dadurch sind sie agil und lebendig. Ich dachte: Ach, das gefällt mir. Ich möchte nicht mehr Freundinnen treffen, um gemeinsam zu jammern, dass nicht alle so sind, wie wir es gern hätten. Indem ich mehr auswählte, was und wen ich in mein Leben reinnehme, bekam es eine neue Qualität. Und in rasantem Tempo Klarheit und ein großes Glücksgefühl. Glück und Klarheit gehören zusammen, durch Klarheit gewinnt man auch viel Zeit. Die Sätze werden präziser und kürzer. Früher wollte ich überall mitspielen; wenn ich gefragt wurde: »Möchtest du was essen?«, gab ich die Frage zurück: »Möchtest du?« Wenn jetzt Freunde im Urlaub vorschlagen, das oder das würden sie gern unternehmen, kann ich erstaunlich schnell sagen: »Da komme ich mit, das andere möchte ich nicht.« Ich gehe nicht mehr in den Vergleich mit anderen Menschen. Wenn ich verreise, bleibe ich gern an einem Ort und versuche, ihn mir durch Laufen in der Früh zu erobern. Herumreisen strengt mich an: Das ist mir zu viel Information, zu viel Aufnehmen und zu wenig Verdauungszeit. Am liebsten fahre ich ans Meer oder ich gehe mit einer Freundin in den Bergen wandern.
Auch in meiner Wohnung brauche ich Klarheit. Sie ist für mich eine Insel, wo ich mich sammeln kann. Wenn ich in der Woche viel unterwegs war, ist es oft meine erste Beschäftigung, meine Wohnung zu putzen und aufzuräumen: Dadurch komme ich zu Hause wieder an. Einen Fernseher habe ich seit langem nicht mehr. Nach dem Abschalten hatte ich immer das unangenehme Gefühl, dass etwas fehlt, aber ich wusste nicht, was. Einmal am Tag höre ich im Radio Nachrichten, Politik interessiert mich kaum noch, ich denke, sie bestimmt nicht meinen Alltag.
Seit fünf Jahren habe ich eigene Praxis als Feldenkraistherapeutin und Atemtherapeutin, außerdem unterrichte ich Yoga und Tanz, Und ich bin Heilerin. Mit dem Begriff »Heilerin« können viele nichts anfangen. Ich bin überzeugt, dass wir künftig Formen des Heilens brauchen, die schneller
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