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Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert

Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert

Titel: Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina von Kleist
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Schluss schlechte Karten. Wie heißt es in Brechts Dreigroschenoper: »Ja, mach nur einen Plan / Sei nur ein großes Licht! / Und mach dann noch ’nen zweiten Plan. / Geh’n tun sie beide nicht.« Am besten ist die Einstellung: Lass dich überraschen! Öffne dich für das, was kommt! Aber sei nicht zu anspruchsvoll.
    Eigentlich heiße ich: Georg Siegfried Amadeus. Ich habe die Namen 1972 umgestellt, als ich zum ersten Mal im »Exil« war. Amadeus hieß die Hauptfigur des Erziehungsromans, den mein Vater als junger Mann geschrieben und den meine Mutter abgetippt hatte. Ich glaube, Glück war für meine Eltern nicht das Lebensziel. Sie hatten die Einstellung: Man muss das Leben nehmen, wie es ist, und wenn es glücklich ist, hat man Glück gehabt.
    Meine Eltern waren beide Lehrer, sie haben sich in Sachsen kennengelernt. Da mein Vater wegen seiner bürgerlichen Herkunft in der DDR kein vollwertiges Studium machen durfte, ging er Anfang der 50 er Jahre nach West-Berlin, wohin wir ihm 1955 folgten. Jahrelang wohnten wir zu dritt in einem Untermietszimmer. In einem Erker stand hinter einem Verdunkelungsrollo mein Bett, so bekam ich alles mit, wenn meine Eltern Besuch hatten. Ich war immer ein ruhiger Kantonist, konnte mich gut allein beschäftigen. Meine Eltern standen ja damals unter einem wahnsinnigen Druck, da mein Vater noch studierte und die Ausbildung meiner Mutter als Neulehrerin im Westen nicht anerkannt wurde. Dass beide Pädagogen waren, schlug natürlich auf meine Erziehung durch. Zu sagen »Ich will aber…« oder »Ich habe keine Lust darauf« wurde nicht akzeptiert, alles musste vernünftig begründet werden. Strafen für Uneinsichtigkeit, Nachlässigkeit, Unpünktlichkeit umfassten die ganze Palette. Ich fand Bestrafungen immer sinnlos. Meinen Eltern taten sie weh, und an mir prallten sie ab.
    Glücklich habe ich meine Eltern erlebt, als mein Vater sämtliche Prüfungen bestanden hatte. Als er Schuldirektor wurde, wir allmählich zu Wohlstand kamen und eine große Wohnung in Tempelhof bezogen, in der meine Mutter heute noch wohnt, entdeckte mein Vater seine Liebe für schönes Porzellan und fing in unseren Sommerurlauben in Dänemark an, Antiquitäten und königliches Kopenhagen zu kaufen. Es wurde ein Esszimmer eingerichtet im nachgemachten Stil directoire, also schlicht und gediegen, irgendwann wurde dänisches Silber angeschafft. Mittags gab es meist Stulle, das warme Abendessen wurde jedoch immer stärker ritualisiert. Ich wurde nie gezwungen, etwas zu essen, doch ich musste wenigstens kosten. Gutes Essen trägt zum Glück bei. Genuss und Aufwand müssen jedoch im vernünftigen Verhältnis stehen. Heute befriedigen ja viele Männer ihr Ego, indem sie anderthalb Tage die Küche in ein Schlachtfeld verwandeln, doch dass das Essen täglich pünktlich auf den Tisch kommt, bleibt Frauen überlassen. Und wer kann sich schon die Zutaten in Kerners Kochshow leisten? Meine Großmutter sagte immer: »Das wichtigste Gewürz ist Liebe.«
    Glücklich war ich, als ich als Elfjähriger in den Ferien auf einem Bauernhof bei der Ernte mithalf. Der Bauer hat mich auf sehr nette Art ernst genommen, wie bei allen anderen wurden meine Arbeitsstunden, inklusive Pausen, ordentlich abgerechnet. Als Schüler habe ich jahrelang auf dem Kreuzberger Bildermarkt Silberschmuck verkauft, doch wann immer ich handwerkliche oder künstlerische Ambitionen zeigte, wurde ich von meiner Mutter in Richtung Studium gedrängt. Sie ist heute noch enttäuscht, dass mein jüngerer Bruder und ich keine Akademiker sind; sie findet, ich lebe in unsicheren Verhältnissen. Meinem Vater verdanke ich die Entspanntheit, was Karriere anbelangt. Als ich nach 18 Semestern mein Geologiestudium an den Nagel hängte, sah er das eher sportlich. Er sagte: »Na, ja, dem geht es gut, er braucht von uns kein Geld.« Wichtig für ihn war, dass ein Mensch, egal, ob Professor oder Bauer, in sich ruht, nett, freundlich und zuverlässig ist. Außerdem gefiel ihm das »Exil«.
    Ich bin seit 37 Jahren Kellner. Mit Unterbrechungen habe ich 12 Jahre im »Exil« gearbeitet, außerdem im »Wirtshaus Schildhorn«, im »Café Einstein«, im »Landhaus Alt Mariendorf«, im »Schweizer Hof«, im »Axbax«, aus dem »Storch« bin ich zuletzt in Unfrieden geschieden. Teilweise hatte ich zwei Stellen, eine Sechs-Tage-Woche in einem Laden kriegt man psychisch kaum hin. Zwischendurch war ich selbständig, 14 Monate gehörte mir das »Exil«. Seither habe ich mehr Respekt vor denen,

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