Der Weg zurück
hineinsehen. Da sitzt Heel am Tisch. Seine Litewka liegt vor ihm. Die Achselstücke fehlen. Er trägt einen Mannschaftsrock. Den Kopf hat er in die Hände gestützt, und – aber das ist ja gar nicht möglich –, ich gehe einen Schritt näher – Heel, Heel weint.
»So was«, flüstert Tjaden.
»Weg!«, sagt Bethke und gibt Tjaden einen Tritt. Wir schleichen betroffen zurück.
Am nächsten Morgen hören wir, dass ein Major des Nachbarregiments sich erschossen hat, als er von der Flucht des Kaisers hörte.
Heel kommt. Er ist grau und übernächtigt. Leise gibt er die nötigen Anweisungen. Dann geht er wieder fort. Uns allen ist scheußlich zumute. Das Letzte, was wir hatten, ist uns genommen worden. Jetzt haben wir den Boden unter den Füßen verloren. »Richtig verraten kommt man sich vor«, sagt Kosole mürrisch. Es ist ein ganz anderer Zug als gestern, der sich formiert und düster weitermarschiert. Eine verlorene Kompanie, eine verlassene Armee. Das Schanzzeug klappert bei jedem Schritt – eine monotone Melodie – umsonst – umsonst. –
Nur Ledderhose ist munter wie eine Drossel. Er verkauft aus seinen amerikanischen Beständen Konserven und Zucker.
Am anderen Abend erreichen wir Deutschland. Jetzt, wo nicht mehr Französisch um uns herum gesprochen wird, beginnen wir allmählich wirklich an den Frieden zu glauben. Bislang haben wir immer noch im Geheimen mit einem Befehl gerechnet, umzukehren und in die Gräben zurückzukehren; denn der Soldat ist misstrauisch gegen das Gute, und es ist besser, von Anfang an mit dem Gegenteil zu rechnen. Aber nun steht ein sanftes Fieber langsam in uns auf.
Wir kommen in ein großes Dorf. Ein paar verwelkte Girlanden hängen über der Straße. Es sind wohl schon so viele Truppen durchgezogen, dass es nicht mehr lohnt, für die letzten etwas Besonderes zu unternehmen. Wir müssen uns deshalb mit dem verblichenen Willkommen einiger verregneter Plakate begnügen, die von Eichenlaub aus grünem Papier lose umrahmt sind. Die Leute sehen kaum noch nach uns hin, als wir vorübermarschieren, so sehr sind sie es gewöhnt. Für uns aber ist es neu, hier anzukommen, und wir sind hungrig nach ein paar freundlichen Worten und Blicken, wenn wir auch behaupten, darauf zu pfeifen. Wenigstens die Mädchen könnten sich schon mal hinstellen und winken. Tjaden und Jupp versuchen immer wieder, ein paar anzurufen, aber sie haben keinen Erfolg. Wahrscheinlich sehen wir zu dreckig aus. Da geben sie es endlich auf.
Nur die Kinder begleiten uns. Wir halten sie an der Hand, und sie laufen neben uns her. Wir schenken ihnen, was wir an Schokolade entbehren können, denn einen Teil müssen wir natürlich auch mit nach Hause bringen.
Adolf Bethke hat ein kleines Mädchen auf den Arm genommen. Es zerrt an seinem Schnurrbart, als wäre er ein Zügel, und lacht, was es kann, denn Adolf schneidet Grimassen. Die kleinen Hände patschen ihm ins Gesicht. Er hält eine fest und zeigt mir, wie winzig sie ist.
Das Kind fängt an zu weinen, als er keine Grimassen mehr zieht. Adolf versucht es zu beruhigen, aber es weint nur noch heftiger, und er muss es herunterlassen.
»Wir scheinen ja die reinen Kinderschrecks geworden zu sein«, brummt Kosole.
»Sie haben eben Angst vor einer richtigen Schützengrabenfresse, die ist ihnen unheimlich«, erklärt Willy.
»Wir riechen nach Blut, das ist es«, sagt Ludwig Breyer.
»Da werden wir wohl mal baden müssen«, meint Jupp, »dann sind die Mädels vielleicht auch schärfer.«
»Ja, wenn das mit Baden alleine ginge«, antwortet Ludwig nachdenklich.
Verdrossen ziehen wir weiter. Wir hatten uns den Einzug in die Heimat anders vorgestellt nach den Jahren draußen. Wir hatten geglaubt, man würde uns erwarten; aber jetzt sehen wir, dass jeder hier schon wieder mit sich beschäftigt ist. Alles ist weitergegangen und geht weiter, fast als wären wir bereits überflüssig. Dieses Dorf ist natürlich nicht Deutschland, aber trotzdem sitzt uns der Ärger im Halse, und ein Schatten streift uns und eine seltsame Ahnung.
Wagen rasseln vorüber, Kutscher schreien, Menschen blicken flüchtig auf und rennen dann weiter hinter ihren Gedanken und Sorgen her. Vom Kirchturm schlägt die Uhr, und der feuchte Wind schnobert über uns hin. Nur eine alte Frau mit langen Kopfbändern läuft unermüdlich unsere Reihen entlang und fragt mit zaghafter Stimme nach einem gewissen Erhard Schmidt.
In einem großen Schuppen bekommen wir Quartier. Aber obschon wir viel marschiert sind, hat
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