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Der Weg zurück

Der Weg zurück

Titel: Der Weg zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.M. Remarque
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erbeuteter Kartoffeln hineingeworfen. Jetzt sitzt er friedlich und träumerisch allein davor und wartet darauf, dass die Kartoffeln braten. Neben sich hat er ein paar amerikanische Büchsenkoteletts liegen. Der Hund hockt aufmerksam an seiner Seite.
    Das flackernde Feuer wirft kupferne Reflexe in sein rotes Haar. Von den Wiesen unten zieht Nebel herauf. Die Sterne funkeln. Wir setzen uns zu ihm und holen die Kartoffeln aus dem Feuer. Die Schalen sind schwarz gebrannt, aber das Innere ist goldgelb und duftet. Wir packen die Koteletts mit beiden Fäusten und sägen auf ihnen herum wie auf Mundharmonikas. Dazu trinken wir Schnaps aus unsern Aluminiumbechern.
    Wie die Kartoffeln schmecken! Dreht sich die Welt? Wo sind wir? Sitzen wir nicht wieder als Jungens bei Torloxten auf dem Acker und haben den ganzen Tag in der stark riechenden Erde Kartoffeln ausgewühlt, rotbackige Mädchen in blauen, verwaschenen Röcken mit Körben hinter uns? Kartoffelfeuer der Jugend! Weiße Schwaden zogen über das Feld, die Feuer knisterten, sonst war es still, die Kartoffel war die letzte Frucht, abgeerntet war alles schon – nur noch die Erde, die klare Luft, der bittere, weiße, geliebte Rauch, der letzte Herbst. Bitterer Rauch, bitterer Geruch des Herbstes, Kartoffelfeuer der Jugend – die Schwaden wehen, wehn und verwehen, Gesichter der Kameraden, wir sind unterwegs, der Krieg ist zu Ende, alles zerschmilzt wunderlich –, die Kartoffelfeuer kommen wieder und der Herbst und das Leben.
    »Mensch, Willy, Willy –«
    »Sache, was?«, fragt er aufschauend, die Hände voll Fleisch und Kartoffeln. –
    Ach, Schafskopf, ich meinte ja ganz was anderes.
    Das Feuer ist ausgebrannt. Willy wischt sich die Hände an der Hose ab und klappt sein Messer zu. Ein paar Hunde bellen im Dorf. Sonst ist es still. Keine Granate mehr. Kein Rasseln von Munitionskolonnen. Nicht einmal mehr das vorsichtige Knirschen der Sanitätsautos. Eine Nacht, in der viel weniger Menschen sterben als jemals in den letzten vier Jahren.
    Wir gehen wieder in die Kneipe. Aber dort ist nicht viel mehr los. Valentin hat seinen Rock ausgezogen und ein paar Handstände gemacht. Die Mädchen klatschen, doch Valentin ist nicht erfreut. Verdrossen sagt er zu Kosole: »Ich war einmal ein guter Artist, Ferdinand. Aber das hier reicht nicht mal mehr für den Jahrmarkt. Alles raus aus den Knochen. Und Valentinis Reckakt, das war eine Nummer früher! Jetzt habe ich Rheumatismus –«
    »Ach, sei froh, dass du deine Knochen überhaupt noch hast«, ruft Kosole und haut mit der Hand auf den Tisch. »Musik! Willy!«
    Homeyer setzt bereitwillig mit Pauke und Schellenbaum ein. Es wird wieder lebendiger. Ich frage Jupp, wie es mit der Dicken war. Er weist mit abfälliger Geste weit von sich. »Nanu«, sage ich verblüfft, »das geht ja schnell bei dir.«
    Er zieht eine Grimasse. »Ich denke, sie liebt mich, verstehst du? Jawohl, Geld hat das Luder nachher von mir verlangt. Und dabei habe ich mir noch das Knie an dem Satansgartentisch gestoßen, dass ich kaum gehen kann.«
    Ludwig Breyer sitzt still und blass am Tisch. Er sollte eigentlich längst schlafen, aber er will nicht. Sein Arm heilt gut, und die Ruhr lässt auch etwas nach. Doch er bleibt in sich gekehrt.
    »Ludwig«, sagt Tjaden mit schwerer Stimme, »du solltest auch mal in den Garten gehen – das ist gut für alles –«
    Ludwig schüttelt den Kopf und wird plötzlich sehr blass. Ich setze mich neben ihn. »Freust du dich denn gar nicht auf zu Hause?«, frage ich.
    Er steht auf und geht weg. Ich verstehe ihn nicht mehr. Nachher finde ich ihn, wie er ganz allein draußen steht. Ich frage ihn nicht weiter. Wir gehen schweigend zurück.
    In der Tür stoßen wir auf Ledderhose, der gerade mit der Dicken verschwinden will. Jupp grinst: »Der wird sich wundern.«
    »Nein, sie«, sagt Willy, »oder glaubst du, dass Arthur auch nur einen Pfennig rausrückt?«
    Wein fließt über den Tisch, die Lampe blakt, und die Mädchenröcke fliegen. Eine warme Müdigkeit weht hinter meiner Stirn, alles hat weiche Ränder, wie Leuchtkugeln manchmal im Nebel; langsam sinkt der Kopf auf die Tischplatte. – Die Nacht braust weich und wunderbar, wie ein Schnellzug, in die Heimat: Bald sind wir zu Hause.
III
    Wir stehen zum letzten Male angetreten auf dem Kasernenhof. Ein Teil der Kompanie wohnt in der Umgebung. Er wird entlassen. Der Rest muss sich allein weiter durchschlagen. Der Eisenbahnverkehr ist so unregelmäßig, dass wir nicht mehr geschlossen

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