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Der Weg zurück

Der Weg zurück

Titel: Der Weg zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.M. Remarque
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ihm: Albert, ich weiß, du bist nicht schuld daran. Mehr nicht.«
    Sie nickt. »Vielleicht habe ich mich nicht genug um ihn gekümmert. Aber Hans hat doch keine Füße –«
    Ich tröste sie. »Der arme Junge«, sagt sie, »sitzt da nun ganz allein –«
    Ich gebe ihr die Hand. »Mit dem Schneider werde ich jetzt mal reden. Der wird Sie nächstens in Ruhe lassen.«
    Er steht noch vor der Haustür. Ein plattes, dummes Kleinbürgergesicht. Er glupscht mich hämisch an, das Maul schon parat, um hinter mir loszuklatschen. Ich fasse ihn am Rock. »Sie verfluchter Ziegenbock, wenn Sie noch ein einziges Wort zu der alten Frau da oben sagen, dann hacke ich Sie in Stücke, merken Sie sich das, Sie Zwirnfadenathlet, Sie Waschweib!« Ich schüttle ihn wie einen Sack Lumpen und stoße ihm das Kreuz gegen die Türklinke – »ich komme wieder, die Knochen breche ich dir, du lausiger Plättbrettscheißer, du verdammter Meck-Meck-Meck!« Damit haue ich ihm rechts und links eine gehörige Wucht herunter.
    Ich bin schon weit weg, da kreischt er hinter mir her. »Das geht ans Gericht! Das kostet Sie mindestens hundert Mark.« Ich drehe mich um und gehe zurück. Er verschwindet.
    Georg Rahe hockt schmutzig und übernächtigt in Ludwigs Zimmer. Er hat die Nachricht von Albert in der Zeitung gelesen und ist sofort hergekommen. »Wir müssen ihn herausholen«, sagt er. Ludwig blickt auf.
    »Wenn wir ein halbes Dutzend vernünftiger Kerle und ein Automobil hätten«, fährt Rahe fort, »müsste es klappen. Die beste Zeit wäre, wenn er zum Gerichtssaal überführt wird. Wir springen dazwischen, machen einen Tumult, und zwei rennen mit Albert los zum Auto.« Ludwig hat einen Augenblick aufgehorcht. Dann schüttelt er den Kopf. »Es geht nicht, Georg. Wir würden Albert nur schaden, wenn es misslänge. So hat er wenigstens die Hoffnung, dass er noch einigermaßen davonkommt. Doch das wäre das Wenigste – ich würde sofort dabei sein – aber Albert – wir würden Albert nicht mitkriegen. Er will nicht.«
    »Dann müssen wir es auch bei ihm mit Gewalt machen«, erklärt Rahe nach einer Weile –, »heraus muss er – und wenn ich dabei draufgehe –«
    Ludwig erwidert nichts.
    »Ich glaube auch, dass es nichts nützen wird, Georg«, sage ich –, »selbst wenn wir ihn draußen hätten, würde er sofort wieder zurückgehen. Er hat ja fast auf Willy geschossen, als der ihn wegbringen wollte.«
    Rahe stützt den Kopf in die Hände. Ludwig sieht grau und verfallen aus. »Ich glaube, wir sind alle verloren«, sagt er trostlos. Keiner antwortet. Tot hängt das Schweigen und die Sorge im Zimmer. –
    Nachher sitze ich noch lange allein bei Ludwig. Er stützt den Kopf in die Hände. »Es ist alles umsonst, Ernst. Wir sind kaputt, aber die Welt geht weiter, als wenn der Krieg nicht da gewesen wäre.
    Es wird nicht lange mehr dauern, und unsere Nachfolger auf den Schulbänken werden mit gierigen Augen den Erzählungen aus dem Kriege lauschen und sich aus der Langeweile der Schule heraus wünschen, auch dabei gewesen zu sein. Jetzt schon laufen sie zu den Freikorps – und kaum siebzehnjährig begehen sie politische Morde. Ich bin so müde, Ernst –«
    »Ludwig …« Ich setze mich neben ihn und lege den Arm um seine schmalen Schultern.
    Er lächelt trostlos. Dann sagt er leise: »Damals, vor dem Kriege, hatte ich so eine Schülerliebe, Ernst. Vor ein paar Wochen habe ich das Mädchen wiedergetroffen. Es schien mir noch schöner geworden zu sein. Das war so, als ob die Zeit von früher noch einmal in einem Menschen lebendig geworden wäre. Wir haben uns dann öfter gesehen – und plötzlich habe ich gespürt …«, er legt den Kopf auf die Tischplatte. Als er wieder aufsieht, sind seine Augen tot vor Qual –, »das ist ja alles nichts mehr für mich, Ernst – ich bin ja krank.« Er steht auf und öffnet das Fenster. Draußen ist eine warme Nacht mit vielen Sternen.
    Bedrückt starre ich vor mich hin. Ludwig sieht lange hinaus. Dann wendet er sich um: »Weißt du noch, wie wir mit einem Band Eichendorff nachts in den Wäldern umhergezogen sind?«
    »Ja, Ludwig«, sage ich rasch, froh, dass er auf andere Gedanken gekommen ist, »es war im Spätsommer. Einmal haben wir einen Igel dabei gefangen.«
    Sein Gesicht entspannt sich. »Und wir glaubten schon, es sei ein Abenteuer mit Postkutschen, Waldhörnern und Sternen –. Weißt du noch, wie wir ausreißen wollten nach Italien?«
    »Ja, aber die Postkutsche kam nicht, die uns mitnehmen sollte. Und

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