Der weibliche Weg Gottes
indem er sie vor der Tür stehen ließ. Hinzu kommt ein sozioökonomischer Gesichtspunkt: Witwen waren zur damaligen Zeit darauf angewiesen, bei ihren Kindern zu wohnen. Die Witwe eines Zimmermanns wird nicht über besondere finanzielle Mittel verfügt haben. Es ging also neben der Versöhnung auch um Fürsorge und Verantwortung. Der älteste Sohn hatte die Verantwortung für seine Mutter, so wollte es die Gesellschaft. Und so versöhnt sich der Revolutionär auch mit den Normen der Gesellschaft, gegen die er in den letzten drei Jahren seines Lebens permanent verstoßen hatte, um seiner Mission zu folgen.
Bei Matthäus, Markus und Lukas wird Maria am Kreuz gar nicht erwähnt, wohl aber andere Frauen. Vor allen anderen Maria von Magdala. Es scheint, als habe Maria von Magdala in den drei Jahren seines Wirkens und seiner Lehre eine wichtige Bedeutung für Jesus gehabt. Sie bleibt bei ihm während seiner Qual am Kreuz. Sie ist die Erste, der er nach seiner Auferstehung erscheint (Joh. 20.14) und mit der er spricht: ... Rühre mich nicht an, denn ich bin noch nicht aufgefahren zu meinem Vater... Das klingt so anrührend und verletzlich und gleichzeitig voller Abwehr und Angst, fast wie „...führe mich nicht in Versuchung“. So sprechen Menschen, wenn sie sich zwischen ihrem Weg und ihrer Liebe entschieden haben.
Es gibt Vermutungen, dass Maria von Magdala die Frau seines Herzens gewesen sein soll. Sie unterstützte ihn finanziell (Luk 8.1), bei den Stellen, die die Anwesenheit mehrerer Frauen aufzählen, wird sie stets an erster Stelle genannt, das könnte darauf schließen lassen. Jesus wäre nicht der erste Mann in der Geschichte, dem ein zölibatäres Leben zugunsten der großen, allumfassenden Aufgabe zugeschrieben wurde. Nach zweitausend Jahren lässt sich vieles nur noch vermuten. Johannes hat sie beide unter dem Kreuz gesehen, oder möchte sie gerne vereint sehen, die zwei Marien im Leben Jesu.
Jesus stirbt am Kreuz. Er hat seine Aufgabe erfüllt. Was nun mit ihm geschieht, liegt nicht mehr in seiner Hand. Nach seinem Tod ist es sein Vater, der bei ihm ist, ihn zu sich nimmt und damit der Welt und allen, die an ihn glauben, die Hoffnung zurückgibt.
Wer zu Maria will, kommt an ihrem Sohn nicht vorbei, weil sie sich, zumindest in der Bibel, ausschließlich durch ihn definiert. Ohne Jesus keine Maria, aber ohne Maria auch kein Jesus. Der Knackpunkt ist die Sache mit der Vaterschaft.
Ich bin sicher nicht der erste Mensch, der sich fragt, ob Jesus auf diese Art gezeugt wurde und zur Welt kam und der daran zweifelt. Können wir heute damit leben, Jesus als Mensch zu sehen, entstanden durch die Vereinigung von Mann und Frau — Maria und Josef? Wird seine Lehre ohne den Nimbus der göttlichen Zeugung weniger wichtig? Ist das Eingreifen Gottes dadurch weniger sichtbar? Wohl kaum. Trotz allem ist er Gottes Sohn, wie wir alle Gottes Kinder sind. Wenn es einen Menschen gibt, der so in der Liebe gelebt hat, dann sollte das doch eigentlich Mut machen, auch den eigenen Weg danach auszurichten.
Ist sein Wirken weniger wichtig und real, wenn er Menschensohn wäre und bliebe? Oder können wir es nicht aushalten, dass ein Mensch über soviel Weisheit verfügt? Kann das nur ein Gott?
Würde er trotz der Entmystifizierung seines Leidensweges zum Kreuz ein Symbol für einen Menschen, der zum Märtyrer für seine Überzeugung wird, der sein Leben annimmt? Dann könnten wir seine Auferstehung als etwas betrachten, was auch heute geschieht, weil die Seele nicht mit dem Körper stirbt.
Nur wäre dann niemand für uns am Kreuz gestorben. Wir müssten selbst sehen, wie wir mit unseren Verfehlungen leben können. Wir müssten uns selbst zuerst vergeben können, um daraus zu lernen, wie wir anderen vergeben können.
Es gibt heute eine ganze Anzahl spiritueller Lehrerinnen und Lehrer, die ihre Wurzeln entweder im Buddhismus haben oder Sannyasins sind, womit wir heute in der Regel meinen, dass sie Schüler von Osho sind. Osho, eine Person voller Widersprüche: seine Lehre voller Weisheit und Liebe, gleichzeitig während seiner Zeit in Amerika Besitzer eines Waffenarsenals. Die Medien haben sich auf ihn gestürzt und alles ans Tageslicht gezerrt, das gegen ihn sprach. Das Besondere seiner Botschaft, seine tiefe Liebe zu allen Menschen, wurde dabei hauptsächlich unter die Begriffe Sex und Machtausübung subsumiert. Zugegeben, Osho hat wohl auch seinen Teil zu diesem Bild beigetragen, und in seinem Ashram sind schlimme Dinge
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