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Der weibliche Weg Gottes

Der weibliche Weg Gottes

Titel: Der weibliche Weg Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Gerland
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negatives Wachstum. Von allem Guten soll es mehr, und immer mehr geben. Die Spirale des Glücks soll sich stetig weiter nach oben bewegen. Dabei übersehen wir zum einen, dass dies gar nicht möglich ist, es kann kein permanentes Wachstum geben, und zum anderen, dass eine Krise, in der alles zerbricht, die große Chance im Leben sein kann.
    Sein Kreuz auf sich zu nehmen, heißt aber eigentlich nur, sein Leben zu nehmen, wie es nun einmal ist, mit allen Facetten: mal gut, mal schlecht, mal dunkel, mal hell, mal fröhlich, mal traurig. Hier geht es darum, das zu akzeptieren, was ist, sich nicht in aussichtslosen Kämpfen aufzuzehren, nicht hart und verbittert zu werden. Auf der anderen Seite das Schöne im Leben zu genießen, Freude zu haben. Nichts hat Bestand, alles verändert sich. Es gibt keine Garantie für irgendetwas im Leben. Das kann ihm Leichtigkeit und Zufriedenheit geben. Davor steht die Angst, zu verlieren, die Angst, in den Abgrund zu stürzen — und diese ist real. Eine Krise kann eine Chance sein — aber es gibt auch andere Beispiele.
    Das Kreuz ist das Symbol für das Leid und gleichzeitig das Symbol für das Ende des Leides, das hat uns dieser Jesus von Nazareth gezeigt. Es sah nur für drei Tage so aus, als sei alles zu Ende. Es geht weiter, dafür sorgt der Vater. Stirb und werde — immer wieder.

Maria und der Klerus

    Auch für Maria bedeutet das Kreuz nicht das Ende. Das Letzte, was wir über sie in der Bibel erfahren, ist, dass sie nach der Auferstehung und Himmelfahrt ihres Sohnes in seiner Gemeinde mit seinen Jüngern zusammenlebt. Über ihren Tod erfahren wir nichts mehr. Fast zweitausend Jahre später gibt es eine offizielle Verlautbarung darüber. Im Jahre 1950 erklärt die katholische Kirche, Maria sei mit ihrem Leib in den Himmel aufgenommen worden — genau wie ihr Sohn. Damit kommt ihr die herausragende Bedeutung zu, auf dem Thron Gottes gemeinsam mit diesem, Jesus und dem Heiligen Geist zu sitzen. Weder die evangelische noch die Ostkirche schließen sich diesem Dogma an. Mehr noch, gerade dieses Dogma unterbindet zunächst die Annäherung der Kirchen, die bis dahin in einem vorsichtigen Prozess der kleinen Schritte stattgefunden hat. Ein weiteres Indiz dafür, wie zwiespältig diese Maria ist, wie sich die Geister an ihr scheiden.
    Ihre Jungfernschaft ist ein Dogma, ebenso ihre Gottesmutterschaft, die von allen drei Kirchen getragen wird, der evangelischen, katholischen und östlich orthodoxen. Darauf konnte man sich noch vor der Kirchenspaltung einigen. Während die evangelische und orthodoxe Kirche Dogmen relativ ähnlich betrachten, nämlich als christliche Grundwahrheiten, die von allen gleich gelehrt werden müssen, besteht in der katholischen Kirche, neben der Lehrverpflichtung, die Pflicht für einen Katholiken, dies auch zu glauben, also die Glaubensverpflichtung.
    Es ist fast unmöglich, die Quelle von der Interpretation zu trennen. Die Beschäftigung mit der Bibel allein führt nicht zu Maria. Es gibt nur sehr wenige Stellen über sie, und schnell vermischt sich alles mit der Interpretation über sie. Mit meiner Konfusion über das, was und wer sie ist, bin ich in guter Gesellschaft mit vielen anderen, seit Anbeginn der christlichen Lehre. Ganze Generationen von Bibelgelehrten haben sich zweitausend Jahre lang ebenfalls den Kopf über sie zerbrochen. Über die Jahrhunderte ist ihr Bild gewachsen, aus der Schrift, aus Interpretationen, Vermutungen, Fiktionen und frommen Wünschen.
    Über die Jahrtausende hinweg erfolgte der wirklich interessante Prozess einer äußerst kreativen Bibelinterpretation. Mit solchen gedanklichen Klimmzügen hätte ich in meinen Deutscharbeiten nicht bestehen können.
    Indem man sich vom geschriebenen Wort löste, konnte Maria zur Symbolgestalt stilisiert werden: Reinheit, Tugend, Fürsorge, Mitgefühl. Eigenschaften, die man mit dem allmächtigen, strafenden, gerechten Gott nicht in Verbindung bringen konnte. Maria wird durch die historische Beschäftigung zu einer Frauengestalt, deren faszinierende Entwicklung über die Jahrhunderte erfolgt. Der jeweilige Zeitgeist ist immer auch in ihre Symbolhaftigkeit eingeflossen, über die Jahrhunderte hinweg, und bewirkt neue Blickwinkel, so auch heute.
    Während die Dogmen über die Gottesmutter- und Jungfrauenschaft von der Frühkirche aufgestellt wurden, driften die Kirchen auseinander, wenn es um die unbefleckte Empfängnis und die Himmelfahrt der Maria geht. Man kann sagen, der Heilige Geist hat uns

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