Der weibliche Weg Gottes
vermutlich bereits selbst Kinder. Jesus ist ein gestandener Mann, mitten im Leben, ist der Erstgeborene und damit Oberhaupt der Familie, seitdem Josef gestorben ist, denn von dem hören wir nichts mehr. Nun nimmt er sich eine Auszeit und geht vierzig Tage in die Wüste, fastet und meditiert. Sein Vater stellt ihn auf die Probe, schickt ihm Bilder der Macht und Versuchung durch eines seiner Geschöpfe. Jetzt entscheidet es sich: Hat sein Sohn genügend innere Festigkeit und Weisheit, um seine Aufgaben in den nächsten Jahren zu erfüllen? Hat er genug gelernt? Er hat! Ist sein Herz bereit? Es ist!
Er widersteht allen Versuchungen und bekennt sich zu seinem Gott. Jesus ist ungefähr dreißig Jahre alt, als er aus der Wüste zurückkommt. Seine Mutter Maria kann stolz auf ihren Sohn sein, er hat sich gut entwickelt. Daran wird sie sicher einen nicht unerheblichen Anteil gehabt haben. Gerade durch die Nichterwähnung ihrer letzten Jahre wird sie zum Symbol für weibliches Wirken: aktiv, fleißig, hingebungsvoll — aber stets im Hintergrund.
Jesus hat bereits einige Jünger um sich geschart, Menschen, die an ihn glauben, ihm vertrauen, aber noch immer fehlt der Schritt in die Öffentlichkeit. Bei Johannes gibt Maria ihrem Sohn den Anstoß, den er noch braucht (Joh. 2). Bei der Hochzeit zu Kanaa ist kein Wein mehr da. Heute würde eine Mutter in einer solchen Situation zu ihrem Sohn sagen: Nun mach schon Junge, ich weiß, dass du es kannst. Dein Vater ist auch damit einverstanden, er vertraut dir. Worauf wartest du noch? Das ist deine Chance. Ich glaube auch an dich, du schaffst das.
Seine Reaktion ist eher spätpubertär: Was geht's dich an Frau, was ich tue? Meine Stunde ist noch nicht gekommen. (Joh. 2.4) Na bitte, Jesus ist wirklich ein Menschensohn, der von Zeit zu Zeit Schwierigkeiten hat, dem Mütterlich-Fürsorglichen ein ruhiges, erwachsenes Selbstbewusstsein entgegenzusetzen. Aber dann verwandelt er doch das Wasser in Wein. Endlich, Maria wird aufgeatmet haben. Sein Wirken beginnt. Er zieht durchs Land, ein Tross von Menschen in seinem Gefolge.
Bald zeigt sich, wie revolutionär Jesus von Nazareth ist: ...Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert... Er ist einer, der die alte Familienordnung aufhebt ... ich bin gekommen, den Menschen zu erregen wider seinen Vater... (Matt. 10.34), er ist intelligent und argumentationsstark im Disput mit Schriftgelehrten, unabhängig im Denken, gleichzeitig voller Mitgefühl für Randgruppen. Ein Intellektueller? Ja! Ein Zimmermann? Da habe ich meine Zweifel.
Seine Botschaft ist überzeugend, immer mehr Menschen schließen sich ihm an, folgen ihm, glauben an ihn. Das Land wartet auf den versprochenen Messias. Ein Mensch, der solche Wunder vollbringt, so tief in die Herzen der Menschen sehen kann, so außerhalb der gesellschaftlichen Normen lebt — kann nur der versprochene Messias sein. In seinem Gefolge sind auch Frauen, die mit ihm umherziehen und dieses Leben finanzieren. Wer spricht heute von ihnen? In unserer Überlieferung sind es immer nur zwölf Jünger.
Nach und nach bringt er die staatliche und religiöse Obrigkeit gegen sich auf. Er verspricht Erlösung, allein durch den Glauben und das Vertrauen. Der Glaube reicht als Eintrittskarte ins Paradies. Das Vertrauen bewirkt Wunder. Heilungen geschehen allein, weil die Menschen ihm vertrauen. Er legt sich mit den Mächtigen an und redet mit den Ausgestoßenen.
Seine tiefe Botschaft ist Liebe. Liebe im Himmel und auf Erden, Liebe zu allen Menschen, gleichgültig, welchen Geschlechts und welcher sozialen Stellung in der Gesellschaft. Jesus steht mit seiner Liebe zwischen den Menschen und ihrem Bild von einem strafenden, gewaltsamen Gott. Er zeigt damit, dass Liebe die stärkste Macht aller Welten ist.
Seine Liebe zeigt sich im Umgang mit allen Menschen, aber besonders mit den gesellschaftlich Verachteten: Zöllnern, Aussätzigen, Ehebrecherinnen, unreinen Frauen. Er spricht Frauen an, obwohl — oder weil es der Moralvorstellung der jüdischen Gesellschaft widerspricht. Er heilt Frauen, die Prostituierte sind. Er heilt von Dämonen Besessene. Er nimmt sich derer an, die ganz unten sind, verachtet und ihrer Würde beraubt, die sich nicht einmal trauen, vor ihn zu treten, wie der Zöllner auf dem Baum oder die blutende Frau.
Das ist das wirklich Revolutionäre der Schriften über die Botschaft Jesu, er sieht in die Herzen der Menschen und löst sich vom gesellschaftlichen Kontext. Der gespendete
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