Der weibliche Weg Gottes
passiert, glaubt man den Berichten derer, die dort waren, es erlebt haben. Größer ist jedoch die Zahl derjenigen, die so etwas weder erlebt noch beobachtet haben.
Noch immer verbinden wir Erleuchtung mit Armut. Oshos Vorliebe für Armbanduhren und Rolls-Royce passt da so gar nicht rein. Gandhi hingegen entspricht diesem Bild: Armut, passiver Widerstand, Gerechtigkeit.
Wie würde es wohl Jesus ergehen, wenn er die Welt in diesem Jahrhundert erneut betreten würde? Die moderne Technologie würde es möglich machen, seine Botschaft in Sekunden über die ganze Erde zu verteilen. Und dann?
Die christliche Religion ist erst 300 Jahre nach Christus vom Sektenstatus zur römischen Staatsreligion avanciert. In den folgenden 1700 Jahren hat sie es geschafft, von einer frischen, lebendigen und freudigen Lehre des Wortes und der Handlung zu einer staubigen, steifen, machtvollen Religion zu werden, die in ihren äußeren Formen erstarrt ist.
Eine bizarre Vorstellung: Jesus klopft in Rom an die Tür zum Vatikan: „Lasst mich rein Jungs, ich hätte da mal was mit eurem Chef zu besprechen.“ Wobei der Ort vermutlich austauschbar ist. Die Tür zur evangelischen Bischofssynode ist auch keine sich selbst öffnende Flügeltür.
Das Kreuz
Der Menschensohn ist am Kreuz gestorben, und die Lehrmeinung nimmt an, Jesus sei selbst ohne Sünde gewesen und habe alle unsere Sünden auf sich genommen. Maria wurde ohne Sünde gezeugt, empfing Jesus ohne Sünde, war ohne Sünde. Sie brauchte die Kreuzigung ihres Sohnes nicht. Für uns soll er gestorben sein.
Ich glaube, dort am Kreuz ist ein Mensch mit Stärken und Schwächen gestorben. Wenn Jesus mit einer Geißel jene aus dem Tempel hinaustrieb, die dort nichts zu suchen hatten, so mag das der Sache dienlich sein, ist aber ein Akt der Gewalt gegen andere. Gewalt ist ein Zeichen von Schwäche, Hilflosigkeit. Man glaubt, mit Worten nicht an sein Ziel zu kommen, dann also mit Gewalt. Wie Jesus mit seiner Mutter umgegangen ist, als er sie einfach hat vor der Tür stehen lassen, dient zwar der Abgrenzung von tradierten Rollen in der damaligen Gesellschaft, ist aber für einen Menschen mit seinen kommunikativen und emotionalen Fähigkeiten kein Zeichen von Reife. Erstaunlich, dass diese Wahrnehmung so gar keine Beachtung gefunden hat. Dabei machen ihn doch auch seine Schattenseiten zu einem Menschensohn, der sich Respekt durch Offenheit erwirbt.
Wenn Jesus als Menschensohn am Kreuz gestorben ist, mit einem irdischen Vater, müssen wir selbst für uns sorgen. Das Prinzip Erlösung, das dieses Kreuz symbolisieren soll, ist damit zerstört. Kein anderer nimmt diese Schuld auf sich, wir sind selbst verantwortlich. Was bleibt dann noch übrig vom Kreuz?
Das Kreuz ist das stärkste Symbol der christlichen Religion, für mich das umstrittenste. Zum einen, weil es schwer fällt, darin nicht das Folter- und Mordinstrument der Kreuzigungsszene zu sehen. Zum anderen, weil in den folgenden Jahrhunderten im Namen des Kreuzes millionenfach grauenhafte Dinge geschehen sind: die menschenverachtende Christianisierung der Dritten Welt, verlauste, ungebildete Kreuzritter auf ihren mörderischen Reisen gegen Andersgläubige, 550 Jahre Inquisition, in denen die grauenvollen, brennenden Scheiterhaufen oft die Erlösung unsagbarer Qualen waren.
Auch das Verhalten der offiziellen Kirchen im Dritten Reich zähle ich zu den Gräueltaten hinzu. Und alles im Namen des Kreuzes. Die christliche Religion ist nicht die einzige, die sich im Unrecht hervortut, aber hier habe ich meine Wurzeln, hier ist unsere Gesellschaft verankert, das macht kritischer.
Ich bin sicher, dass auch mir in einem meiner Leben jemand das Kreuz mit den Worten ... bekenne, bekenne... vor die Augen gehalten hat, oder ich habe es bei einem anderen Menschen getan. Das ist vorbei, ich lebe heute, habe kaum Erinnerungen an dieses andere Leben, es ist mehr eine mögliche Erklärung für meine starke Abneigung gegen das Kreuz.
Wir sagen heute, jemand nimmt sein Kreuz auf sich und meinen damit oft sein schweres Schicksal, sein psychisches Leiden, seine Krankheit oder was auch immer an dunklen und bedrückenden Ereignissen damit gemeint ist. In unserer Gesellschaft ist das Streben nach dem immer währenden Glück angesagt, Erfolg, Fitness, Reichtum, Jugend — und vor allen Dingen Gesundheit — sind die Werte. Die Suche nach dem Eldorado geht weiter. In dieser Scheinwelt erfinden wir neue Worte für Verlustprognosen und nennen sie Gewinnwarnung und
Weitere Kostenlose Bücher