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Der weibliche Weg Gottes

Der weibliche Weg Gottes

Titel: Der weibliche Weg Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Gerland
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Pfennig einer armen Frau ist mehr wert als die großzügige Gabe eines Reichen.
    Jesus wird in heutigen Schriften manchmal als androgyn bezeichnet. Seit C.G. Jung ist im westlichen Denken bekannt, dass Männer auch über weibliche Anteile verfügen und umgekehrt Frauen über männliche Anteile. Ein Mensch, bei dem beide Anteile ausgeglichen erscheinen, nennen wir androgyn. Bei Jesus ist das Fürsorge, Hingabe und Spontaneität auf der einen Seite, eine Aufgabe, die Anstrengung, Kraft und Durchsetzungsfähigkeit bedeutet, auf der anderen Seite. Liebe ist das verbindende Element, gepaart mit Weisheit. Er ist das Kind seiner Eltern, ihre Anteile verbinden sich in ihm. Er lebt die Anteile seiner Eltern. Darüber hinaus fügt er das hinzu, was sein Eigenes ist, wird dadurch zu einer eigenständigen, unverwechselbaren Persönlichkeit. Er ist selbstständig geworden, lebt sein eigenes Leben.
    So hat Maria das vermutlich nicht haben wollen. Sie erkennt, wohin diese Art zu leben und zu lehren hinführen kann. Rebellen haben keine lange Lebenserwartung. Also geht sie als besorgte Mutter noch einmal zu ihm, nimmt seine Brüder mit, will mit ihm sprechen, vielleicht ihn ermahnen. Er empfängt sie nicht einmal. Er entsagt seiner Ursprungsfamilie und bekennt sich zu seiner Glaubensgemeinschaft.
    Dieses Verhalten würde jeden Menschen verletzen, um wie viel mehr seine Mutter. Die arme Maria, ihr Erstgeborener behandelt sie schlecht, ihre restlichen Kinder werden ihr durch ihre lebenslange Jungfernschaft glatt abgesprochen.
    Jesus kann seinen Weg nur gehen, wenn er Altes zurücklässt. Neues kann nur ohne die Fesseln des Alten beginnen. Maria und Jesus lassen beide los, ob von beiden Seiten freiwillig, sei noch dahingestellt. Es scheint, dass Maria in räumlicher Distanz zu Jesus gelebt hat. Als kluge Mutter wird sie verstanden haben, dass es an der Zeit ist, ihr Kind loszulassen. Kinder brauchen Wurzeln, wenn sie klein sind — und Flügel, wenn sie groß geworden sind.
    Drei Jahre dauert der Weg ihres Sohnes, dann sitzt Jesus in der Nacht im Garten Gethsemane und hat Angst vor dem Ende. Wie zu Beginn seines Weges, so ist es zuerst der Vater, mit dem er spricht. (Luk. 22.39) Aber sein Schicksal ist bestimmt, es gibt kein Zurück mehr. Hat er zu Beginn seines spirituellen Weges mit Gott, seinem Herrn, gesprochen, so ist es jetzt Gott, der Vater, an den er sich wendet... Vater... nimm diesen Kelch von mir.
    Ob seine Mutter am Kreuz war? Nur bei Johannes, im jüngsten Evangelium, findet sich dafür ein Beleg (Joh. 19.25), geschrieben ca. achtzig Jahre nach den Ereignissen.
    Hier geschieht etwas Versöhnliches zwischen Jesus und Maria. Sie ist da, in der Stunde seiner Not, als er glaubt, sein Vater habe sich von ihm abgewandt. Sie hält zu ihm. Damit wird sie erneut zum Symbol der unerschütterlichen, bedingungslosen Liebe. Zur geöffneten Hand, die immer da ist, was auch geschehen ist. Damit erfüllt sie ihren Part im Geschehen, sie zeigt durch ihre Präsenz Liebe und Mitgefühl, obwohl sich ihr Sohn von seiner Familie losgesagt hat, zugunsten einer großen Familie, die wir heute Gemeinde nennen.
    Durch ihr „Standing“ wird sie zur Ansprechpartnerin, zum Halt für alle, die Schmerz empfinden, einen Verlust erleiden, trauern, Angst haben. Sie versteht, was die Menschen bewegt. Sie flüchtet nicht vor dem Leid und dem Tod, sie bleibt. Wir können damit die Zuversicht verbinden, dass sie auch bei uns bleibt, wenn wir in Not sind, wenn wir dieses Leben verlassen. „... sei bei uns jetzt und in der Stunde unseres Todes.“
    Wer ein Kind verloren hat, sagt, dass dies der größte Schmerz und Verlust sei, viel größer als jede andere Trauer. Damit stirbt die Hoffnung, die Zukunft. Nach diesem Stirb scheint es kein neues Werde geben zu können. Das ist der zweite Blickwinkel auf Maria. Sie erweckt Mitgefühl in uns. Das schafft Nähe und Verbindung. Das ermöglicht die Identifikation mit ihr aus unserem eigenen Erleben heraus.
    Noch in seinem Sterben zeigt Jesus am Kreuz, dass nach seinem Tod Neues folgen wird. Er vertraut Maria einem seiner Jünger an, und ihr gibt er damit einen neuen Sohn. Somit hat sie innerhalb seines engsten Kreises von Vertrauten wieder ein Bindeglied, wird in seine Gemeinschaft aufgenommen, wird Teil seiner neuen Familie, und damit beginnt wieder Neues — stirb und werde, immer wieder.
    Dies ist ein Akt der Versöhnung zwischen den beiden, nachdem er sie vor Jahren vor all den anderen Menschen so brüskiert hat,

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