Der weibliche Weg Gottes
diese Wahrheiten vermittelt, die nicht in der Bibel stehen, wie im Katholizismus, dann glaubt oder muss man glauben, was ein Widerspruch in sich ist — oder hat die Freiheit des Nichtglaubens.
Auf jeden Fall gibt es keine Aussage zur unbefleckten Empfängnis. Keine Aussage darüber, dass Jesus ihr nach seinem Tod noch einmal erschienen ist. Auch nichts darüber, dass sie bei seiner Himmelfahrt zugegen war. Kein Wort über Marias Himmelfahrt, mit Leib und Seele. Kein Wort über ihren Platz auf dem Thron Gottes. Was für eine Karriere über die Jahrtausende hinweg von der Frau zur Himmelskönigin, die mit der Heiligen Dreifaltigkeit auf einem Thron sitzt.
Von Papst Johannes Paul II. ist bekannt, wie sehr er Maria verehrt. 1988 ruft er ein marianisches Jahr aus. Es ist das fortwährende Paradoxon: entweder Maria wird verehrt und reale Frauen werden ausgegrenzt, wie in der katholischen Kirche, oder Frauen dürfen auch Lehren und Maria wird ausgegrenzt, wie in der evangelischen Kirche. Es scheint offiziellen Stellen Angst zu machen, die Weiblichkeit im Himmel und auf Erden zu einen.
Maria und das Volk
Die Suche nach ihr gleicht einer Fahrt im Nebel mit dem Boot. Während die Ruderin sich bemüht, das Land der Erkenntnis zu finden, übersieht sie, dass das Wasser alles enthält, was sie sucht.
Bisher bin ich im Nebel auf christliche Ursprünge gestoßen, auf die drei Hauptpfeiler des Marienkultes. Die Ur-Schrift, die, wie sich gezeigt hat, ein beachtlich magerer Pfeiler für ein beträchtliches Gedankengebäude ist. Zum anderen die Interpretationen, entstanden aus einer patriarchalisch geprägten Lehre, in der alles, was sich um Zeugung und Geburt drehte, schmutzig und sündig war — speziell wenn es die Frau betraf. Wo gleichzeitig die Beschäftigung mit diesem Thema, an der Gestalt der Maria, oft die einzige Möglichkeit war, sich ohne Sanktionen ausgiebig mit dem ewig lockenden Thema Frau zu beschäftigen.
Der dritte Pfeiler und entscheidende Faktor ist die Volksmeinung und Volksgläubigkeit, bei der selbst der Klerus mit seinen Interpretationen manchmal nur anzupassen schien, was doch jeder schon zu wissen glaubt. Gerade dieser Volksglaube hat die Himmelfahrt Marias vorweggenommen und sie zur Fürsprecherin neben einem mächtigen Gott gesetzt. Wie zu Hause, wenn die Kinder zur Mama gehen, damit sie ein gutes Wort beim Papa einlegt. Eine merkwürdige Religion, die so etwas braucht. Ein Spiegel der Gesellschaft, der gleichzeitig zur Stabilisierung der Normen und Werte der Gesellschaft beitrug.
Religion ist über viele Jahrhunderte durch das Wort derer, die lesen konnten, und durch die Bilder derer, die diese Worte gehört und interpretiert haben, für die, die nicht lesen konnten, weitergegeben worden. Die christliche Kunst griff der Dogma-Entwicklung vor, stellte Maria so dar, wie man sie gerne hatte: liebreizend, hingebungsvoll, demütig — und mächtig. Gleichzeitig auch als Frau, die durch die verschiedenen Entwicklungsphasen junge Frau — Mutter — reife Frau die Möglichkeit für Identifikation und Verständnis gibt. In Abhängigkeit von der eigenen Entwicklung bietet Maria den Spiegel für die eigene Persönlichkeit, die Projektionsfläche für die eigene Psyche.
Solch eine Frau konnte man anbeten, um Hilfe bitten. Dafür bieten die Darstellungen die notwendigen Bilder. Beten braucht Bilder, Symbole. Die Anbetung Gottes allein im Geist ist ein Ideal, weil Beten, das aus dem Denken heraus geschieht, ohne Bilder nicht auskommt. Wir können nur beten, wie wir auch denken, reden. Da sind nun einmal beide Hirnhälften beteiligt, und eine davon liefert Bilder, Gerüche, Klänge.
Eine andere Form der Vereinigung mit Gott ist die Vereinigung über die Seele, das Eins sein im Herzen mit Gott. Dann versagen die Worte, dann gibt es keine Bitten um etwas, keinen Dank für etwas anderes. Diese Vereinigung braucht keine Bilder, weil sie Gefühl ist.
Man kann die christliche Lehre beim besten Willen nicht mehr als monotheistische Religion betrachten. Es gibt einen Gott, seinen Sohn und den Heiligen Geist auf einem Thron, auch wenn sie alle eins sind, ihre Funktion, ihre Handlungen, die Konzepte über sie sind verschieden. Im Katholizismus sitzt ganz offiziell noch ein weibliches Wesen mit auf diesem Thron. Es scheint, dass der Volksglaube ohne ein göttliches Symbol für Weiblichkeit nicht auskommt und Abbilder braucht für seinen Glauben.
Welche andere Frau hätte die christliche Religion sonst als Symbol der
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