Der weibliche Weg Gottes
Weiblichkeit wählen können? Die Gefährtin der letzten drei Jahre scheidet aus, dafür war die Zeit zu kurz, die Erwähnung in der Bibel zu nebensächlich, ihr Vorhandensein skandalös.
In allen Religionen, mit Ausnahme der so genannten monotheistischen jüdisch-christlichen Religion, gab und gibt es heute auch weibliche Gottheiten. Die christliche Religion etablierte sich also in einem Kulturraum, in dem weibliche und männliche Gottheiten ihren Platz hatten. Bei den Ägyptern wird Isis von Osiris schwanger und bringt Horus zur Welt. Ascherah heißt die semitische Mutter-Göttin, die die Götter zur Welt bringt. Zeus trägt Metis, seine erste Frau, in sich — hört auch auf sie — und lebt mit Hera, seiner zweiten Frau, zusammen.
Gerade vor dem Hintergrund der bestehenden weiblichen Gottheiten zur Zeit des Alten Testamentes, deren Spuren wir erst heute wieder aufnehmen, lesen sich die Zehn Gebote, neben der moralisch-ethischen Forderung, wie das Einschwören einer Kampftruppe gegen den Feind:
Es gibt nur einen Gott, und das ist der HERR, andere Götter abzubilden und anzubeten ist strengstens verboten. Die Bestrafung derer, die Gott hassen, hört nicht mit ihrem Tode auf, sondern setzt sich bis zu ihren Enkelkindern fort. Stehlen und Lügen sind nicht ganz so schlimm, sie folgen erst auf Platz acht und neun (Mos. 2.20).
Die Bibel führt mehrere Kämpfe mit heidnischen Gottheiten an, die schlechthin als das Böse dargestellt werden: Götzen, Baal, heilige Haine. Ihre Abbildungen und Schriften verschwanden, die Orte gerieten in Vergessenheit. Die Geschichte wird immer von den Siegern geschrieben — und diese erledigten den Machtwechsel gründlich.
Das entscheidend Neue und Besondere der jüdischen, später christlichen und islamischen Lehre, der Glaube an einen Gott, schaffte gleichzeitig klare Machtstrukturen. Bisher gab es mehrere Gottheiten, die man um Unterstützung bitten konnte. Hatte man es sich mit einer verdorben, konnte man immer noch eine andere um Hilfe bitten. Nun gab es lange Zeit nur einen Gott. Dadurch entstand eine große Abhängigkeit von seinem Willen, seiner Barmherzigkeit. Das öffnete gleichzeitig auch die Türen für diejenigen, die glaubten, sein Wort besser zu verstehen als andere, und die ihre Regeln aufstellten für das, was gut und richtig sein sollte. Die gleichzeitig ihren Wissens- und Bildungsvorsprung nutzen, um die Mehrheit zu lenken.
Nur mit Maria hat das nicht so geklappt. Sie war einfach stärker, weil weicher und fließender. Sie brauchte keine Machtkämpfe zu führen, war einfach nur da — und das Volk ließ sie nicht los.
Nur befindet sich der Volksglaube bereits auf neuen Wegen, ist der Amtskirche gerade in Bezug auf Maria mal wieder ein Stück voraus. Männer und Frauen sind daran beteiligt, quasi als Religions-Archäologen. Sie suchen nach Spuren der Göttinnen, nach dem Wirken von Frauen, nach dem Leben Marias. Sie befreien aus dem Dunkel des Vergessens, interpretieren mit unserem heutigen Wissen um gesellschaftliche Zusammenhänge bekannte Schriften neu.
Dem Weiblichen in Gott einen Platz zu geben, hat nichts mehr mit Feminismus und weiblichen Ansprüchen zu tun. Es geht darum, den Menschen ganz werden zu lassen, Raum zu geben für männliche und weibliche Anteile. Gott hat beides in sich vereinigt — und beides ist gut, weil es göttlich ist. Der Mensch ist ein Abbild Gottes — und beide Anteile, männliche und weibliche, sind gut, weil daraus ein vollkommenes Ganzes wird, weil ein Teil ohne den anderen nicht sein kann, weil beides göttlich ist.
Maria und der Glaube
Maria ist da, ist präsent im Himmel und auf Erden, seit Beginn der Lehre. Sie ist die Fürsprecherin, Mittlerin, Verkünderin, die Mutter, die ihren Kindern beim gestrengen Vater hilft und die Kinder zum Vater und Sohn führt. Sie legt ein gutes Wort für die Menschen ein und sie spricht für ihren Sohn. Letzteres ist das wirklich Erstaunliche. Wenn man sich das Wirken Jesu auf Erden ansieht, sollte man nicht meinen, dass er einer Mittlerin bedarf. Gerade Jesus war es, der den gesellschaftlich verpönten Kontakt zu Frauen suchte, der in das Herz der Menschen gesehen hat und den Glauben auch ohne Worte erkannt hat. Es muss eine andere Macht sein, die das Erscheinen Marias bewirkt.
In jedem Jahrhundert hat es Marienerscheinungen gegeben. Die erste Nennung geschieht im Jahr 41 n. Ch. Maria soll von ihrem Sohn zu Jakobus geschickt worden sein, dessen Gebeine heute in Santiago de Compostela
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