Der weibliche Weg Gottes
entsteht das Bild, als gäbe es mehr als eine Maria. Sie offenbart sich wohl in der Weise, wie jener, der ihr begegnet, sie annehmen kann, sie sich vermutlich wünscht. Aber das erklärt nicht die Phänomene. Ratlosigkeit und Resignation machen sich breit. Der Faden ist mir entglitten, an dessen Ende ich SIE vermutet hatte.
Ich versuche genau das, was Generationen vor mir gemacht haben, immer noch tun, von dem auch die Marienerscheinungen Zeugnis geben: Ich will meinen Glauben beweisen. Statt zu sagen: Ich glaube an SIE, ich fühle SIE in mir, ich sehe IHR Wirken in meinem Leben. Will ich eine äußere Erscheinungsform verstehen, beweisen. Der Verstand fordert Nahrung. Dabei ist Glauben eine Sache des Herzens, des Fühlens und des Vertrauens.
Auch in den nächsten Monaten gelingt es nicht, den Faden wieder aufzugreifen. In bin in eine Sackgasse geraten, finde keine Ausgang und habe nur das Gefühl, dass es weitergehen wird. Nun steht erst einmal die materielle Existenz im Vordergrund. Das „Sabbatical“ ist beendet. Geld verdienen, Reserven auffüllen ist angesagt. Spiritualität ist eine Sache, Geld verdienen eine andere. Es ist gut, das eine nicht mit dem anderen zu verwechseln, erfahre ich. So wichtig die neu gewonnene Gelassenheit auch ist, sie schlägt leicht in Trägheit um. Nach der langen Pause, in der ich nicht gearbeitet habe, kein Wunder.
Wieder kommen Phasen des Zweifelns, in denen alles illusionär wirkt. Es gibt keinen Gott, wenn ich das Elend in der Welt sehe. Es ist nur der Wunsch bei allen Menschen, allen Religionen, nicht allein zu sein auf dieser verrückten Welt. Einen Halt zu finden, wo es doch keinen Fixpunkt gibt. Einen Sinn zu geben, wo doch alles zufällig und in Bewegung ist.
Dann lege ich die Bücher beiseite, gehe in die Natur. Und wenn in mir Stille ist, ist SIE da. Ich fühle SIE in mir, sehe ihr Wirken um mich herum. Es ist kein Mangel mehr, SIE ist bei mir.
Eine Begegnung
An den Abenden sitze ich draußen, lasse den Tag ausklingen und meditiere manchmal. Die Erfahrung des Jakobsweges, dass Meditation in allen Lebenslagen möglich ist, auch im Gehen, habe ich in meinen Alltag übernommen. Meditation heißt ja eigentlich nichts anderes, als bei dem zu sein, was gerade ist. Dabei kommt der plappernde Verstand zur Ruhe, wenn auch nur für kurze Zeit.
Dem Ideal, wenn es denn eins ist, Gott allein im Geist nahe zu kommen, entspricht vielleicht am ehesten die Erfahrung der Meditation. Wer schon einmal gedanklich alles losgelassen hat, was jemals war oder sein wird, bei dem bleibt, was ist, jetzt und hier, wer dem eigenen Atem oder dem Klang der Stille lauscht, auch das loslässt und in die innere Leere wandert, dem Nichts, kennt dieses Glück.
In der Stille, im Nichts gibt es keine Angst, keine Sorgen, keine Pläne. Das Nichts ist leer und voll zugleich. Es beinhaltet alles, was jemals war und sein wird, ohne dass der Verstand dabei ist. Das Auftauchen aus einer tiefen Meditation ist bei mir jetzt zunehmend verbunden mit einem großen Glücksgefühl und mit dem Gefühl von Liebe, für alles um mich herum.
Wenn Gott Liebe ist, dann ist Liebe auch Gott. Dann geschieht in diesen Momenten meine Verbindung mit Gott außerhalb des Denkens, Planens, Zweifelns, Suchens, Hoffens.
An einem solchen Abend bekomme ich Besuch. Beim Auftauchen aus der Stille sehe ich eine Gestalt nicht weit von mir: sehr groß, ein Mann offensichtlich, mit breiten, hängenden Schultern, die Kleidung merkwürdig unklar, fast wie ein langes Hemd aus grobem, grau-braunem Leinen mit sehr langen Ärmeln. Als ich sein Gesicht sehen will, verschwindet die Gestalt und mein Herz klopft bis zum Hals.
Ein Wesen aus der Zwischenwelt, sagt mein Gefühl. Eines dieser Wesen, die ihren Körper verlassen, sich aber von der Welt noch nicht verabschiedet haben, das ich sehen konnte, weil ich noch ganz bei mir war, ganz im Hier und Jetzt, noch in der Stille. Es war der Wind im Efeu, sagt mein Kopf, du hast geträumt, so was gibt es gar nicht, und überhaupt, woher hast du den Namen Zwischenwesen? Damit ist dann auch die Chance vertan, nochmal Kontakt aufzunehmen. Ich bin raus aus diesem feinfühligen, empfänglichen Zustand.
Gefühl und Verstand können sich nicht einigen über das, was die Augen gesehen haben. Der eine sagt „ja“, der andere „du spinnst“. Und so beschäftige ich mich mit der äußeren Form, ob sie da war oder nicht, statt mir über den Inhalt Gedanken zu machen. Entweder der Mann war da, oder mein
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