Der Weihnachtsfluch - Roman
sind alle froh, dass jemand von der Familie Weihnachten mit Susannah verbringt.« Sie lächelte bemüht, aber immerhin hellte sich ihr Gesichtsausdruck auf, sodass man erahnen konnte, wie sie als junge Frau gewesen sein musste: lebendig, optimistisch und nahezu schön.
»Ganz bestimmt, Mrs. Flaherty. Vielen Dank für Ihre guten Wünsche.«
Brendan verabschiedete sich ebenfalls, blickte sie jedoch länger an, so als ob er noch etwas sagen wollte, aber als seine Mutter ihn eindringlich ansah, überlegte er es sich anders.
Emily beobachtete, wie Mrs. Flaherty Brendans Arm ergriff, nicht um sich von ihm stützen zu lassen, sondern weil sie ihn nicht loslassen wollte. Als die beiden gegangen waren und sie wieder im Haus waren, blickte Emily Susannah prüfend an.
»Heute geht’s mir gut«, versicherte ihr Susannah. »Ich habe gut geschlafen. Hat dir die Küste wirklich gut gefallen?«
»Ja.« Emily war froh, ehrlich sein zu können. Sie war plötzlich überzeugt, dass Hugo die Landschaft geliebt haben musste, und für Susannah war es wichtig, dass
auch Emily ihre Schönheit schätzte. »Und Mr. Yorke hat mir nur eine kleine Geschichte aus alten Zeiten über die Flahertys erzählt«, fügte sie noch hinzu.
Susannah machte eine abwertende Handbewegung. »Oh, du brauchst Mrs. Flaherty nicht weiter zu beachten. Ihr Mann hatte ein buntes, bewegtes Leben, war aber ein guter Mensch. Das glaube ich zumindest, aber ich bin doch froh, nicht mit ihm verheiratet gewesen zu sein. Sie hat ihn angehimmelt, aber ich vermute, ihre Erinnerung ist gnädiger als die Tatsachen. Er sah einfach zu gut aus. Das hat beiden nicht gutgetan.«
»Das kann ich mir vorstellen«, stimmte Emily ihr lächelnd zu und dachte dabei an Brendan, wie er leichten Schrittes den Weg hinunterging.
Susannah verstand sofort. »Oh ja, Brendan ist auch ein hübscher Junge. Er hat das natürlich ausgenutzt, und sie hat ihn zu sehr verwöhnt. Dabei hat sie, glaube ich, immer an seinen Vater gedacht.«
»Hat sie wieder geheiratet?«
Susannah zog ihre Augenbrauen blitzartig hoch. »Colleen Flaherty? Mein Gott, nein! Ihrer Meinung nach konnte niemand Seamus das Wasser reichen. Meines Wissens hat das auch niemand versucht! Sie war zu sehr damit beschäftigt, Brendan vor den vermeintlichen Schwächen seines Vaters zu bewahren: also in erster Linie vor Frauen, dem Alkohol und einer Überdosis Fantasie. Sie dachte mit Schrecken daran, dass Brendan denselben Weg wie er einschlagen könnte. Ich glaube nicht, dass sie ihm damit einen Gefallen tut, aber es wäre sinnlos, ihr das zu sagen.«
»Und? Ist er so wie sein Vater?«, wollte Emily wissen. Susannah sah sie mit einem offenen, fast stechenden Blick an und wandte sich dann ab. »Vielleicht. Hoffentlich nicht. Hugo sagte immer, es wäre ein Alptraum, mit Seamus Flaherty zusammenzuleben. Ein Mensch mit so viel Charme könnte einen wie ein Jojo mit der Schnur hochwerfen und wieder fallen lassen. Aber früher oder später wird die Schnur reißen. Hast du Lust auf ein Lunch? Nach deinem Spaziergang bist du sicher hungrig.«
»Oh, ja. Soll ich uns etwas zubereiten?«
»Maggie war hier. Es ist alles schon fertig«, antwortete Susannah.
»Ach, wirklich?«, Emily deutete aufs Fenster. »Trotz des Sturms?« Sie musste lächeln.
»Der kommt schon noch, Emily.« Susannah schauderte. Ihr ganzer Körper zog sich zusammen, so als ob sie ihre Arme um sich geschlungen hätte. »Vielleicht schon heute Abend.«
Bei Einbruch der Dunkelheit frischte der Wind deutlich auf. Er klang ganz anders als zuvor. Schneidend, gefährlich scharf. Es wurde sehr früh dunkel, und als Emily das Geschirr vom Abendessen wegräumte, bemerkte sie, dass es an einigen Stellen im Haus recht kühl war. Obwohl alle Fenster geschlossen waren, fand die kalte Luft irgendwie ihren Weg ins Haus. Die einzelnen Windböen folgten dicht aufeinander, als ob nichts mehr zur Ruhe kommen könnte.
Die Vorhänge wurden zugezogen, aber Susannah
schaute dennoch zu den Fenstern hin. Regen war nicht zu hören, nur der Wind und gelegentlich das plötzliche Schlagen eines Zweiges an die Fensterscheibe.
Beide waren sie froh, früh ins Bett gehen zu können.
»Vielleicht hört der Sturm bis morgen früh auf«, sagte Emily hoffnungsvoll.
Susannah wandte sich ihr mit kreideweißem Gesicht und angstvollem Blick zu. »Sicher nicht«, sagte sie leise. Das Tosen des Windes schien ihre Worte fast zu ersticken. »So schnell nicht. Vielleicht überhaupt nicht mehr.«
Emilys
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