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Der Weihnachtsfluch - Roman

Der Weihnachtsfluch - Roman

Titel: Der Weihnachtsfluch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Vater dachte da wohl an jemand anderen? Jemanden von der anglikanischen Kirche? Vielleicht sogar jemanden mit Vermögen?« Er blickte auf Emilys feines Wollcape mit dem hübschen Fellkragen, dann auf ihre glänzenden Lederstiefel, die auf der holprigen Straße in Mitleidenschaft gezogen wurden.
    »Nein, er dachte da an niemanden. Unsere Familie hat es zu einem gewissen Wohlstand gebracht, aber mehr
auch nicht. Mein erster Mann hatte Vermögen und einen Titel. Er starb.«
    »Das tut mir leid.« Er zeigte umgehend sein Mitgefühl.
    »Danke. Aber ich liebe meinen zweiten Mann sehr.« Sie klang, als ob sie sich verteidigte, und an ihrer Stimme merkte sie es selbst.
    »Hat er auch Vermögen und einen Titel?«
    »Nein!«, gab sie zurück, als ob die Frage einen beleidigenden Unterton gehabt hätte. »Weder noch, auch keine Aussicht darauf. Ich habe ihn geheiratet, weil ich ihn liebe. Er ist Abgeordneter im Parlament und er macht seine Arbeit gut.«
    »Und freut sich Ihr Vater darüber? Oh … ich vergaß. Sie sagten ja, er ist tot. War er damit einverstanden, dass Sie einen Mann ohne Titel und Vermögen geheiratet haben?« Auf der unebenen Straße hielt er gut mit ihr Schritt. »Haben Sie seinen Ärger heraufbeschworen, wie Ihre Tante Susannah? Jetzt verstehe ich, warum Sie hier bei ihr sind. Sie fühlen sich seelenverwandt mit ihr. Nicht gerade als schwarzes Schaf der Familie, aber immerhin als eins mit einer etwas anderen Farbe, habe ich Recht?«
    Sie wollte lachen, wütend sein, und es war ihr peinlich, dass die Heirat mit Jack Radley ein gewagtes Unterfangen gewesen war. Er hatte keinerlei Geld gehabt, sie aber ein richtiges Vermögen. Aber schlimmer noch: Er flirtete schamlos und war bei den Gesellschaften ein so unterhaltsamer Gast, dass er praktisch nie für ein Dach über dem Kopf würde zahlen müssen. Aber er war lustig,
gutherzig, und wenn das Leben schwer oder gefährlich wurde, war er tapfer. Seine besten Eigenschaften kamen erst zum Vorschein, als sie schon verheiratet waren.
    Sie hatte ihn akzeptiert, hatte nicht den Zorn ihres Vaters auf sich gezogen und keinen Cent des Geldes, das sie als Witwe geerbt hatte, eingebüßt. Hätte sie auch den Mut gehabt, Jack zu heiraten, wenn es nicht so leicht gewesen wäre? Sie hoffte es, hatte es aber nicht unter Beweis stellen müssen. Verglichen mit Susannah war sie oberflächlich und war so einem Urteil leicht entkommen.
    »Es ist wirklich nett von Ihnen, dass Sie hier sind, besonders zu Weihnachten«, unterbrach Daniel ihre Gedankengänge. »Ihr Mann wird Sie vermissen.«
    »Hoffentlich«, sagte sie mit so viel Gefühl, dass sie selbst erstaunt war. Würde sie Jack fehlen? Er hatte so schnell darauf bestanden, dass sie die Reise antrat. Sie versuchte, sich die letzten paar Wochen, bevor Thomas’ Brief gekommen war, in Erinnerung zu rufen. Wie nah waren sie und Jack sich wirklich, mal abgesehen von dem höflichen Umgang miteinander im Alltag? Er war immer freundlich. Aber das war er allen gegenüber. Und, wie sie sich gerade erst wieder bewusstgemacht hatte, war sie es, die das Vermögen besaß. Oder genauer gesagt, war es ihr Sohn Edward - Georges, nicht Jacks Sohn. Ashworth Hall und alles, was dazugehörte, hatte sie nur durch ihn geerbt.
    Vermisste Jack sie? Oder vergnügte er sich gerade? Nahm er vielleicht die Sympathie und die Gastfreundschaft
der Hälfte der Frauen in London an, die ihn so attraktiv fanden wie Emily das tat?
    Es berührte sie unangenehm, als sie merkte, dass Daniel sie beobachtete, ihr Gesicht studierte, als ob er ihre Gefühle darin lesen könnte. Mit dem einzigen Wort »hoffentlich« hatte sie sich verraten.
    »Er kümmert sich um meine Kinder«, sagte sie etwas abrupt. Sie hätte »unsere Kinder« sagen sollen. »Meine« klang besitzergreifend, so als würde sie sich rechtfertigen. Aber wenn sie es zurücknähme, wäre sie noch angreifbarer.
    »Wirklich sehr nett, dass Sie gekommen sind«, wiederholte er. »Hat Susannah Kinder? Sie redet nicht davon, und es gibt auch keine Bilder.«
    »Nein.«
    »Sie sind also die Einzige in der Familie?«
    »Ganz und gar nicht!« Schrecklich klang das, so als ob sie Susannah die ganzen Jahre über im Stich gelassen hätte. »Meine Mutter bereist gerade Europa, und meiner Schwester geht es nicht gut.«
    »Ist sie ernsthaft krank?«
    »Nein, gar nicht. Sie erfreut sich bester Gesundheit. Im Augenblick hat sie aber eine leichte Bronchitis.«
    »Dann wird sie ja auch nicht zu den Weihnachtsfeiern gehen

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