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Der Weihnachtsverrat: Roman (German Edition)

Der Weihnachtsverrat: Roman (German Edition)

Titel: Der Weihnachtsverrat: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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höflich und salutierte.
    Narraway stellte sich vor.
    »Was können Sie mir über Dhuleep Singh sagen?«, fragte er, als der Offizier sich wieder gesetzt hatte. »Nicht das, was ich in seiner Armeeakte gelesen habe.«
    Gholab sah aus, als fühle er sich unbehaglich. »Ich schäme mich für ihn, Sir«, sagte er leise. »Dass er offen rebellierte, kann ich ihm nicht einmal vorwerfen, zumindest nicht übermäßig. Aber Verrat auszuüben ist wirklich eine ganz andere Sache. Ein hinterhältiger Schweinehund. Äußerst gewieft. Er hat immer genau hingehört und dann im Hinterkopf gespeichert, was er erfahren hatte. So einer ist das, Sir.«
    »Sie sind also nicht überrascht, dass er die Zeiten und die Routen der Patrouille kannte?«
    Gholab schüttelte traurig den Kopf. »Ein ganz raffinierter Bursche. Er wirft einen Schatten über alle Sikhs.«
    »Und Chuttur Singh?«
    »Ein guter Soldat«, sagte Gholab ohne zu zögern. »Ich kenne seinen Bruder und seinen Cousin. Alle gute Soldaten. Vielleicht etwas zu vertrauensvoll. Ist ja keine Schande. Immer noch besser als Hinterlistigkeit.« Er schüttelte den Kopf. »Dhuleep ist eine Schlange. Hoffentlich muss er dafür büßen.«
    Narraway blieb noch eine Weile und fragte Gholab alles, was ihm in den Sinn kam, aber Gholad konnte ihm auch nichts Neues sagen. Er wusste nicht, ob Chuttur oder Dhuleep Tallis persönlich kannten.
    Am Nachmittag rief Busby zunächst Dr. Rawlins auf. Im Raum war es mucksmäuschenstill. Ganz bleich im Gesicht starrte Tallis ins Leere, während Dr. Rawlins Chuttur Singhs Verletzungen beschrieb.
    Busby sah man den Schock und die tiefe Trauer an. Keiner konnte sich vorstellen, dass das nur vorgetäuscht war. Jeder im Raum kannte Kriegsverletzungen, hatte erlebt, wie Soldaten neben einem niedergestochen wurden, Freunde, Menschen, mit denen man gescherzt, Essen geteilt und gemeinsam von der Heimat geträumt hatte. Aber das hier war anders. Zivilisierte Menschen kämpften für ihre Ideale, für ihr Heimatland, manchmal sogar ohne zu wissen, ob sie im Recht waren oder nicht. Selbst Barbaren waren ihren Leuten treu. Jemanden, der einem vertraut hatte, zu betrügen und grausam zu töten war Mord und verdiente keine Gnade. In der Tat, wenn das Gesetz für etwas eintrat, wenn es Bestand haben sollte, dann musste eine solche Tat bestraft werden. Und Tallis wusste das.
    »Hat sich Chuttur Singh gewehrt, Dr. Rawlins?«, wollte Busby wissen.
    »An seinen Armen waren tiefe Schnittwunden, was vermuten lässt, dass er versucht hatte, sich zu wehren«, erwiderte Rawlins. »An seinem Säbel war auch Blut. Ich weiß allerdings nicht, was man daraus schließen kann, weil er ja genauso gut von seinem eigenen Säbel hätte verletzt worden sein können.«
    »Fassen wir also zusammen«, sagte Busby grimmig. »Jemand hat ihn auf den Hinterkopf geschlagen, sodass er sofort bewusstlos war. Danach wurde er mit mindestens fünfzehn kräftigen Stichen getötet.«
    »Ja«, bestätigte Rawlins etwas zögerlich.
    »Er ist verblutet?«, fragte Busby nach.
    »Ja.«
    »Haben Sie solche Wunden zuvor schon einmal gesehen?«
    Rawlins sah jetzt noch blasser aus. »Natürlich.« Seine Stimme klang schrill. »Ich war in dem Regiment, das Kanpur von der Belagerung befreit hat. Ich stand fast knöcheltief in Blut. Das war in Bibighar, wo Frauen und Kinder auf grausame Weise getötet worden waren. Einige gehörten zu den Familien meiner Freunde. Ich werde es hier nicht beschreiben. Diejenigen, die es gesehen haben, werden es nie vergessen. Und die anderen brauchen nur in die Gesichter derjenigen zu schauen, die dabei waren, und Gott dafür danken, dass sie verschont wurden.«
    Busby sah ihn erstaunt an; dann richtete er den Blick auf die anderen im Raum. Narraway folgte seinen Blicken und bemerkte, was Busby auch gesehen haben musste. Fast alle Anwesenden hatten irgendwann schon einmal Rawlins Hilfe in Anspruch genommen. Er hatte ihre Schmerzen gelindert, war ihnen bei ihren Todesqualen beigestanden, hatte ihnen Trost zugesprochen, wenn sie Angst hatten, nie mehr gesund zu werden oder zu sterben, und hatte mit ihnen über ihre Verluste getrauert. Es wäre wirklich dumm von Busby gewesen, Dr. Rawlins herauszufordern.
    »Und die Soldaten von der Patrouille, die aus dem Hinterhalt angegriffen wurden?«, fragte er und änderte somit offensichtlich seine Strategie. »Haben Sie die Leichen gesehen, die zurückgebracht wurden …, die nicht vor Ort gelassen wurden?«
    »Sie wurden an Ort und Stelle

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