Der Weihnachtsverrat: Roman (German Edition)
erneut die Hand. »… absolut fair, Hauptmann Busby. Danke, Leutnant Narraway. Wir haben festgestellt, dass Chuttur Singh Korporal Grant nicht sagte, wer ihn angegriffen hatte, und wir können als sicher annehmen, dass er es selbst nicht wusste. Gibt es noch etwas, das Sie erwähnen möchten? Vielleicht bezüglich Dhuleeps Kenntnis von der Patrouille?«
»Nein, im Augenblick nicht. Danke, Sir.« Erleichtert nahm Narraway wieder Platz, seine Knie fühlten sich wie Watte an.
Danach rief Busby Attwood in den Zeugenstand. Er sagte fast dasselbe aus wie Grant. Die Worte waren aber nicht identisch, sodass es nicht so aussah, als hätten sie sich abgesprochen. Es gab nichts anzufechten, und Narraway wollte die Sache nicht noch verschlimmern. Man spürte Attwoods Kummer, seine Wut und seine Verachtung ganz deutlich.
Schließlich rief Busby Peterson auf, der nichts Wesentliches beizutragen hatte, außer seiner vorsichtigen und eindeutig ehrlichen Beschreibung, wie er den Gefängnistrakt verlassen und sich auf die Suche nach Dhuleep Singh gemacht hatte. Peterson war es auch gewesen, der schwache Blutspuren ausgemacht hatte, die den Fluchtweg kennzeichneten. Von ihm erfuhr Busby alle Einzelheiten, die den Ort des Verbrechens wirklichkeitsnah und eindringlich beschrieben, für alle Zuhörer war diese Beschreibung unheimlich vertraut. Peterson war es auch, der in Richtung der Gärten von Bibighar und des Brunnens gegangen war.
»Haben Sie auch im Gebäude von Bibighar nach dem Mann gesucht?«, wollte Busby wissen.
Peterson erblasste. »Ja, Sir. Er war nicht da.« Er zitterte leicht.
»Sie haben also im Haus selbst nachgeschaut?«, hakte Busby nach. »Sie haben es nicht gemieden … weil …«
Narraway wusste, worauf Busby hinauswollte, und wollte es nicht hinnehmen. Er erhob sich und blickte Latimer an.
»Sir, Hauptmann Busby deutet an, dass der Gefreite Peterson wegen der schrecklichen Ereignisse dort und womöglich auch aus seinem persönlichen Kummer heraus seine Pflicht nicht erfüllt hat. Gefreiter Peterson hat dem Gericht mitgeteilt, dass er nachschaute. Er ist ein rechtschaffener Mensch und ein guter Soldat. Ihm wird nichts vorgeworfen, und man sollte an dieser Stelle seinen Mut und seine Ehre auch nicht infrage stellen.«
Der Mann zu Latimers Rechten murmelte seine Zustimmung, und beide Soldaten, die als Gerichtsdiener fungierten, nickten.
»Danke.« Latimer nickte Narraway zu. »Hauptmann Busby, wir wollen uns damit begnügen, dass der Gefreite Peterson Ihre Frage beantwortet hat. Niemand konnte Dhuleep Singh finden. Das ist offensichtlich. Wenn Sie keine weiteren Fragen haben, und Leutnant Narraway sich geäußert hat, werden wir eine Mittagspause einlegen.«
Busby errötete leicht und setzte sich.
»Danke, Sir.« Narraway zeigte sich zufrieden. »Ich glaube, dass die Ereignisse nach dem Auslösen des Alarms klar sind. Ich habe keine weiteren Fragen an den Gefreiten Peterson.«
Latimer nickte mit ausdruckslosem Gesicht.
»Wir unterbrechen bis zwei Uhr.«
Narraway verließ den Raum alleine. Allerdings hatte er auch keine andere Wahl. Als er über das offene Gelände ging und den kalten Wind durch die Uniform hindurch spürte, geriet er in eine Art Panik. Keiner lehnte ihn offen ab, aber andererseits sprach auch keiner mit ihm. Auf gewisse Weise war er sogar dankbar dafür. Er brauchte die Zeit für sich, um nachzudenken. Die Lösung lag nicht bei den Soldaten, die heute Morgen befragt worden waren. Er war immer mehr davon überzeugt, dass es alleine mit Dhuleep und Chuttur und der Information über die Patrouille zu tun hatte. Wenn er doch nur das Bindeglied, das allem einen Sinn gäbe, finden würde. Woher hatte Dhuleep seine Information? Hatte Chuttur doch etwas damit zu tun? Hatte Chuttur es gewusst und war deswegen gefoltert worden?
Die Antwort darauf würde Tallis auch nicht weiterhelfen. Ihm fehlte einfach noch eine wesentliche Information!
Im Offizierskasino fand er in einer ruhiger Ecke Platz und nahm seine Mahlzeit geistesabwesend ein. Er war nicht hungrig, wusste aber, dass er es später bereuen würde, wenn er nichts zu sich nahm. Wie konnte so etwas wie ein Currygericht nicht seinen Appetit anregen?
Er ließ den Teller halb voll zurück und machte sich auf die Suche nach dem Unteroffizier Gholab Singh, der schon lange in der Sikh-Armee diente. Er fand ihn in einem kleinen Büro in einem der Kasernengebäude vor, das noch weitgehend unzerstört war.
»Ja, Sir?«, fragte Gholab Singh
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