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Der Wein des Frevels

Der Wein des Frevels

Titel: Der Wein des Frevels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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gehen, aber die Kluft zwischen ihnen wurde nicht schmaler. Sie zog sich hastig zurück, wandte sich ab, rannte in den Nebel – dorthin, wo er am dichtesten war.
    »Ich weiß nicht, was mit mir los ist!«
    »Tez!«
    »Später!« Ihre nächsten Worte wurden übertönt vom Schnauben eines Lipocas, der sich in den grauen Schwaden gefesselt sah. Mixtlas Sattel knarrte, als Tez aufstieg.
    »Tez!«
    Doch die einzige Antwort war das Trommeln von sechs Hufen.

Vaxcala Coatl, die Hohepriesterin des Iztac-Tempels und geistig-seelische Ratgeberin der quetzalianischen Rasse, litt unter Bauchschmerzen. Sie war nicht in der Lage, weitere Besucher zu empfangen. Stundenlang waren besorgte Bürger zu ihr gekommen, mit ihren drängenden, ermüdenden Fragen. Vaxcala, ist es richtig, daß ich meiner kleinen Tochter Bonbons gebe, wenn sie die Wahrheit sagt? (Ja, aber nur, wenn das Kind weiß, daß Sie es auch richtig belohnen wollen und nicht nur deshalb, weil es sich Ihren Wünschen fügt.) Vaxcala, begeht der Tiger eine Sünde, wenn er tötet? (Nein, denn der Tiger haßt nicht.) Vaxcala, was soll ich meinen Kindern über Burne Newmans Krieg sagen? (Das weiß ich nicht.)
    Draußen vor der Pyramide ging Iztac in kupferroter Pracht unter. »Wer wartet denn noch?« fragte Vaxcala.
    Mouzon Thu watschelte aus den Schatten heraus. »Drei Leute. Ein Mauerflicker, ein Schachmeister und eine junge Ärztin.«
    »Ich werde ihren Kummer morgen heilen.«
    Mouzon verließ die Tempelhalle. Vaxcala erhob sich von ihrem Sofa und begann auf die Kerzen zu blasen. Sie schwebten zwischen Leben und Tod, bis sie genau die richtige Intensität eruiert hatte, die sie in ihre Atemstöße legen mußte, so daß die Flammen erstarben. Es war ein kindisches Experiment, doch es lenkte ihre Gedanken von den Bauchschmerzen ab.
    Mouzon kam zurück, sein Warzengesicht zuckte vor Ärger. »Die Ärztin will nicht gehen!«
    Vaxcala rülpste. »Wie heißt sie!«
    »Tez Yon.«
    »Heute morgen wurde ein Steinhauer namens Teot Yon verbrannt.«
    »Sie ist seine Tochter.«
    »Ich werde sie empfangen.« Vaxcala zündete die Kerzen wieder an.
    Tez’ schüchterne Schritte hallten im Korridor wider, passierten die Kerzen, näherten sich dem Podest. Sie löschte ihre Laterne, stellte sie verlegen auf den Boden. Vaxcala beugte sich vor und lächelte aufmunternd, aber ihre Besucherin blieb ernst und traurig. »Ihr Vater war berühmt für seine Güte und Tüchtigkeit. Sein Tod ist für uns alle ein großer Verlust.«
    »Ich komme gerade von der Bestattung… Nein, das ist nicht wahr, ich komme aus dem Olo.« Dann fügte Tez vorsichtig hinzu: »Ich lebe mit Francis Lostwax zusammen.«
    »Nicht ohne Konsequenzen, wie ich sehe.«
    »Sie wissen, daß ich schwanger bin?«
    »Keine Frau, die als Ärztin arbeitet, könnte so gesund aussehen, wenn sie nicht guter Hoffnung wäre. Was ist los? Will er Sie nicht heiraten?«
    »Er will, daß unser Kind als Nerdenmensch aufwächst.«
    »Und nun soll ich Ihnen sagen, ob Sie auf die Nerde übersiedeln sollen oder nicht?«
    »Ich habe bereits beschlossen, ihm in seine Heimat zu folgen. Aber meine Gefühle sind natürlich widersprüchlich… Ich liebe Quetzalia und seine Wissenschaft, doch die Bande, die mich hier festhalten, lösen sich auf. Mein Bruder liebt mich nicht, mein Vater ist tot. Auch die Nerdenbewohner haben ihre Wissenschaft. EinesTages werde ich Charles Darwin entthronen.«
    »Ist Francis ein guter Mensch?«
    »Gut und sehr sanftmütig – nicht so unverschämt wie Dr. Newman.«
    »Ich persönlich freue mich über Ihren Entschluß. Sie werden diebeiden ständig daran erinnern können, daß sie versprochen haben, die Existenz Lutas geheimzuhalten, Dr. Yon.«
    »Ja – und außerdem die Reise – dieses große Abenteuer… Francis bietet mir eine Chance, um die mich sicher viele Leute beneiden.«
    »Warum sind Sie dann noch hier?« fragte Vaxcala sarkastisch.
    Tez lächelte zerknirscht. »Vor zwölf Tagen sagte mir Francis, daß eine Quetzalianerin nur dann auf der Nerde glücklich werden kann, wenn sie imstande ist, Aggressionen zu entwickeln. Er wollte mir Noctus injizieren – auf der Stelle.«
    »Große Sonnengöttin! Damit würde er doch dem Baby schaden!«
    »Die Tierversuche haben erwiesen, daß diese Gefahr nicht besteht.«
    »Aber die Fähigkeit zu Gewaltakten würde nach sechs Tagen erlöschen.«
    »Ich würde Wiederholungsimpfungen bekommen. Natürlich fand ich diese Idee abstoßend. Aber in letzter Zeit haben sich meine Gefühle

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