Der Wein des Frevels
nach. Kappies Gehirn wargetötet worden, als man es bloßgelegt hatte. »Nein.«
»Dr. Zoco sagt, das Studium des menschlichen Gehirns anhand grauer, in Säure gelegter Exemplare sei genauso, als würde man sich mit Hilfe von Leichen über menschliche Wesen informieren.«
»Versprechen Sie mir bitte, alles so zu lassen, wie Sie’s vorgefunden haben?«
Tez lachte laut auf, dann dachte sie schweigend nach. Unser Nerdenmensch scheint recht vernünftig zu sein. Und doch war sein Freund imstande, einen Mord zu begehen. Vielleicht läßt sich die menschliche Rasse doch nicht so einfach in Monster und Quetzalianer unterteilen.
Nun wandte sie sich wieder zur Galerie, wie eine Schauspielerin. »Sie sehen hier eine modifiziert radikale Schädeldeckeninzision, eine transcephalische Knochentür, und vor uns liegt der große Gott Cortex. Nun besteht zunächst die Gefahr eines Bruchs, wenn wir die Dura Mater öffnen. Die zweite Gefahr würde natürlich in einem funktionellen Ausfall liegen. Um die erste Gefahr zu umgehen, wird eine Standard-Nummer-Zwei Sterindorn zwischen die Halbkugeln gestoßen vier Millimeter – unter – dem Corpus Callusum… Um – der – zweiten – Gefahr – zu – begegnen – wird – es – notwendig…«
Die heisere Stimme drang immer leiser in Francis’ Ohren, verhallte, erstarb schließlich ganz. Bevor er einschlief, kam ihm noch zu Bewußtsein, daß es unmöglich sein würde, die hinreißende Frau, die gerade Wunder in seinem Gehirn vollbrachte, jemals wieder zu vergessen.
Immer wieder begegnet man einem Tier, welches nicht weiß, was es ist.
Solche Arten sind ganz anders als die Katze, die eine Expertin darin ist, eine Katze zu sein, oder der Kabeljau, der maßgeblich am Wesen des Kabeljaus partizipiert, oder sogar der unscheinbare Erdenwurm, der auf irgendeiner Ebene außerhalb unserer Wahrnehmungsfähigkeit versteht, was von ihm erwartet wird. Auf dem Planeten Luta wohnten Katzen, Kabeljaus und Erdenwürmer, Nachkommen der lüden Drei, aber auch das einheimische Tier namens Chitzal, eine säugetierartige Fellkugel auf Reptilienbeinen mit zwei gewöhnlichen Augen sowie einem dritten, das ihm die Evolution in einem frivolen Augenblick mittels eines Stengels auf den Kopf gepflanzt hatte wie einen Lolly, der alles ringsum sehen konnte.
Der Chitzal wußte nicht, wer er war. Aber erstaunlicherweise diente er einem Zweck.
Francis saß im Garten vor seinem Krankenzimmer und starrte auf den nächsten Baum und beobachtete mit wachsendem Ärger ein Chitzalmännchen. Das Tier hing an seinen Klauen, mit dem Kopf nach unten, und musterte Francis mit seinem Lolly. Es atmete, blinzelte und tat sonst nichts Beunruhigendes. Wenn es sich nur auf irgendeine Weise verhalten würde, dachte Francis, dann könnte ich meinem Beruf treu bleiben und mir Notizen machen. Wenn es bloß etwas anderes täte, als einfach so dazuhängen wie ein Wespennest.
Fünf Tage waren nach seiner Operation vergangen, fünf Nachmittage, die er im Garten verbracht hatte, und er war wie betäubt vor Langeweile. Soviel ich weiß, grübelte er weiter, wimmelte es auf Luta von unentdeckten Insekten, vielleicht sogar von Gorgathonabkömmlingen, die im Inneren von Meteoriten hierher gekommen sind und sich bis zum heutigen Tag die unheimliche Fähigkeit bewahrt haben, beim Ableben eines nahen Verwandten Tränen zu vergießen. Und ich sitze hier herum, völlig unbeweglich – es sei denn, der Kopf fällt mir noch vom Hals.
Der einzige lichtvolle Augenblick an jedem Nachmittag ereignete sich, wenn Tez Yon ihren Rundgang machte. Sie überwachte seine Genesung mit einer Hingabe, die merklich über normales Pflichtbewußtsein hinausging. Sie brachte ihm sogar Geschenke mit. Fühlt sie sich zu mir hingezogen, weil ich von einem anderen Planeten komme, überlegte Francis, oder gibt es dafür eine verheißungsvollere Erklärung?
Welche Art von Interesse er auch in ihr erregt hatte – Tez vermutete, daß es weniger dem Individuum Lostwax galt, als vielmehr mit einer Art anthropologischer Neugier gleichzusetzen war. Sind Raumfahrer gute Liebhaber? Sie war skeptisch. Nicht daß sie die Meinung vertrat, Romantik und Paarung seien unwichtig. Aber bisher hatte sie keiner ihrer Freunde so völlig in Anspruch genommen wie ein faszinierend halbwahrer Artikel im »Chimec-Hospital-Journal«. Die Tepecaner hielten sich an den Zeitgeist und redeten so offenherzig über ihr Privatleben, daß einem nichts mehr erotisch vorkam. Sie hatte gehört, daß
Weitere Kostenlose Bücher