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Der Wein des Frevels

Der Wein des Frevels

Titel: Der Wein des Frevels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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Francis. Plötzlich wußte sie, daß dieser Nerdenmann in seiner arglosen Wichtigtuerei, in seiner selbstlosen Unsicherheit genau der Partner war, den sie sich gewünscht hatte. Er repräsentierte nicht das endgültige Ende einer Suche, sondern vielmehr den Beweis, daß es sich immer lohnt, auf die Suche zu gehen, weil man oft ganz unerwartet auf die schönen Dinge des Lebens stößt.
    Francis stieß einen Jubelschrei aus. Tez setzte sich auf, lehnte sich an ihn. Er leckte über ihre Nasenspitze, und sie wickelte eine seiner Locken um den Finger.
    »Schauen wir uns mal die Konstellationen an«, schlug Tez vor. Sie erzählte Francis, wie Janets Drachen, Lamux’ Teekanne, der Zerbrochene Spiegel und die Königin der Jahreszeiten am Himmel entstanden waren, zeichnete ihre Konturen mit dem Zeigefinger nach. Francis genoß dieses Spiel. Es war das phantasievollste, das er je mit offenen Augen gespielt hatte.
    »Und jetzt müssen wir unsere eigene Konstellation erfinden.«
    »Warum?«
    »Das tun alle Liebenden auf Quetzalia. Und du willst doch ein quetzalianischer Liebender sein, nicht wahr?«
    »Also gut, ich sehe es ein. Neben Janets Drachen beugte sich eine Frau über ein Triangel.«
    »Das ist kein Triangel, sondern ein wunderbares Spielzeug. Ein Segelboot.«
    »Und die Frau ist das Leben aller Spielsachen. Sie gibt ihnen Realität.«
    »Wir wollen sie die Spielzeugkönigin nennen«, sagte Tez. »Unsere Konstellation.«
    Bevor sie sich wieder liebten, begaben sie sich auf eine letzte Suche. Worte waren überflüssig. Sie wußten intuitiv, wonach sie suchten.
    »Das ist er«, sagte Francis.
    »Wo?«
    »Zwischen UWCM-2 und dem Zerbrochenen Spiegel.«
    »Ja. Ich sehe ihn.«
    Der Stern war klein und leuchtete nur schwach, ein überflüssiger Punkt inmitten zahlloser überflüssiger Punkte. Aber in diesem besonderen Augenblick war es sehr wichtig gewesen, ihn zu finden. Er war ihr geteiltes Erbe, ihr gemeinsamer Samen, aus dem sie geboren waren, ihr Band, das sie über die Lichtjahre hinweg vereinte.
    Sie erinnerten sich, daß der Stern Sol hieß.

 
     
     
Teil zwei
     
     
Der Agnostiker

Das Raubtier blieb auf der Lichtung stehen und erwartete den Sternenschein. Dies war die bleigraue Stunde, die Zeit zwischen dem Scheiden der Sonne und dem Beginn der Nacht. Es war die Stunde, in der das Raubtier sein Fleisch ausruhen ließ, um seine Kräfte zu sammeln und an die Beute zu denken, die ihm nahe war.
    Es gab noch andere Raubtiere im Dschungel, aber keines wie dieses. Dieses Raubtier jagte seine eigene Art. Es tötete innerhalb seiner Spezies.
    Ein umgestürzter Baumstamm, gefurcht und bemoost, sprang Burne Newman ins Auge, wurde in seiner Phantasie zu einem Sessel. Als er versuchte, ihn als solchen zu benutzen, brach er prompt zusammen. Die Insekten bewohnten den Baumstamm nicht mehr, aber vor ihrem Auszug hatten sie ihn mit Schächten durchzogen und ihre Äcker darin bestellt, bis er aus mehr Luft denn aus Holz bestanden hatte.
    Burne machte sich nicht die Mühe aufzustehen, verlagerte sein Hinterteil nur von dem Splitterhaufen auf ein Farnbüschel. Jede einzelne Sehne seines Körpers peinigte ihn mit Schmerzen. Die Jagd war überaus anstrengend gewesen, Ekel erregend, eine sinnlose Abart jenes Spiels, bei dem man Punkte durch Linien verbinden mußte. Das Wesen, das er jagte, rannte im Zickzack dahin, hinterließ seine Spuren, hirnlose Leichen, an den Eckpunkten. Jede Wildhüterhütte, jedes Eremitenbaumhaus, jedes Feuermooshauerhäuschen, wo der Neurovore anhielt, wurde zum Schauplatz eines unabwendbaren Mordes. Bis jetzt waren es dreizehn Opfer – Tote, durch Zickzacklinien verbunden…
    Luta war nicht der erste Planet, wo man Burne beauftragt hatte, zum Wohle anderer zu töten. Nach der High School hatte er seinen Dienst bei der Nerdenpolizei absolviert und war bei einem Streik in der Donaldson-Crysaniummine in Aktion getreten. Die Minenarbeiter, allezeit emotionsgeladene Romantiker, erwarteten von ihrem rationalistischen Arbeitgeber, John Donaldson, gewisse Vergünstigungen nach ihrer Pensionierung. Mr. Donaldson ging nach Hause und rief nach einigen Rechenexempeln die Polizei. Das war billiger.
    Die Streikenden, mit Enthusiasmus gewappnet, attackierten die Polizisten, die sich mit Fermentgewehren gewappnet hatten. Der Enthusiasmus konnte mit Märtyrern aufwarten, die Gewehre mit Löchern. Eine mutige junge Frau bekam ihr Loch von Burne – in jener Sekunde, bevor sie ihm das Gesicht mit einer Hacke zerhauen

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