Der weiße Bikini
ein massiv
wirkender, gruftartiger Raum, in dem drei Wände mit Büchern vollgepflastert
waren, die ebenso unerwünscht wie ungelesen wirkten. Ein lebensgroßer in Bronze
gegossener Colonel William Cody stand bewegungslos in der Fensternische, und
sein wilder Blick unterdrückte jeden Gedanken an Aufstand und Empörung von seiten des makellosen Rasens oder des kunstvollen
Felsengartens draußen vor dem Fenster. Ich fand das nicht fair; wenn es sich
ein Mann leisten konnte, einen lebensgroßen Buffalo Bill in seiner
Fensternische stehen zu haben, so könnte er es sich auch leisten, einen lebensgroßen
Büffel auf den Rasen hinauszustellen, damit er was zum Ansehen hätte.
Ich hörte, wie die Tür geöffnet
wurde, und wandte mich ihr erwartungsvoll zu, worauf ich einen noch schlimmeren
Schock erhielt als den, den ich bei der Restaurantbesitzerin ausgelöst hatte.
Es war natürlich völlig meine eigene Schuld. Nur in der menschlichen Erinnerung
spielt Zeit keine Rolle, und die Lee-Rand-Vorstellung, die ich in mir trug,
stammte von einem vierzehnjährigen Jungen und war nie revidiert worden. Bis zu
dem Augenblick also, als die Bibliothekstür aufschwang, stand Lee Rand noch
immer da, gut zwei Meter groß und den gesamten Wilden Westen zu seinen Füßen.
Ich hatte zuversichtlich
erwartet, einen sehr männlich wirkenden Gentleman von Mitte Dreißig
anzutreffen, mit einem Schopf unordentlichen schwarzen Haares und einem
scharfgeschnittenenKinn,
das unheildrohend hervortreten konnte, wann immer ein Mensch mit einem großen
schwarzen Hut in die Stadt einritt. Ein Mann, der leichtfüßig war wie ein
Panther, ein Mann, bei dem man instinktiv wußte, daß er am gefährlichsten war,
wenn seine gedehnte Sprechweise die Worte beinahe versiegen ließ.
Die erste Ankündigung der
Wirklichkeit war das langsame, schleppende Geräusch eines Stocks, kurz bevor
Rand die Bibliothek betrat. Dann begann ich, einfältig zu glotzen. Vielleicht
lag es an dem steifen Bein, das seiner Gestalt etwas Verbogenes gab und viel
dazu beitrug, ihn älter erscheinen zu lassen, als er war. Die klare Kinnlinie
hatte sich in herabhängende Hautsäcke verwandelt. Das gespannte,
wettergebräunte Gesicht war kreuz und quer von tief eingeschnittenen Furchen
durchzogen. Er konnte höchstens sechzig sein, aber sein Haar war weiß, und er
hatte die Haltung eines sehr, sehr alten Mannes. Er kam langsam auf mich zu,
wobei er erst sein Gewicht auf den Stock legte und dann sein steifes Bein
hinter sich herzog.
»Sie wollten mich sprechen, Mr.
Holman ?« Die Stimme war noch immer kräftig,
zuversichtlich und von peinlicher Höflichkeit.
Aber wohin war sein gedehnter
Westerndialekt verschwunden, den zehn Millionen Jungen bei den Samstagmatinees so geliebt hatten? Er sprach mit einem
scharfen, gebildeten östlichen Akzent, was schlimmer war als Ketzerei, es war
Verrat! Er wartete geduldig auf meine Antwort, und der Ausdruck milder
Neugierde verwandelte sich in den höflichen Erstaunens, als die Zeit verging
und ich nur dastand und ihn mit leerem Blick anstarrte. Dann glitt langsam ein
Ausdruck amüsierten Verständnisses über sein Gesicht.
»Ah!« Er lachte ehrlich. »Sie
sind sicher einer meiner Fans gewesen, Mr. Holman ?« Ich nickte wie betäubt. »Erinnern Sie sich, in welchem Jahr das war, als Sie
mich zum letztenmal in einem Film gesehen haben ?«
»Neunzehnhundertzweiundvierzig«,
murmelte ich »oder vielleicht dreiundvierzig .«
»Gut zwanzig Jahre«, sagte er
und nickte. »In dieser Zeit haben Sie sich von einem Jungen in einen
ausgewachsenen Mann verwandelt, nicht wahr? Es scheint mir kaum fair von Ihnen,
zu erwarten, ich sei noch immer der am schnellsten schießende, am härtesten
reitende hombre des Westens. Oder?«
Mein Gehirn unternahm eine
letzte quälende Anstrengung, sich den Tatsachen anzupassen, wobei ich ihn
verlegen angrinste. »Sie müssen mich für unglaublich einfältig halten und für
ebenso unhöflich, Mr. Rand«, sagte ich aufrichtig. »Ich weiß nicht, wo ich mit
meinen Entschuldigungen anfangen soll .«
»Es passiert alle naselang«,
sagte er behaglich. »Wenn man selber beginnt, alt zu werden, nimmt man die
Tatsache hin, daß andere auch alt werden. Aber der Knabe im Mann erinnert sich
immer an den Helden aus der Kindheit — und der wird nie älter !«
Er zog sich einen Stuhl heran
und ließ sich dankbar darauf nieder. »Bitte, entschuldigen Sie mich. Dieses
steife Bein hier wird immer fauler .«
»Natürlich«, sagte
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