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Der weiße Klang der Wellen: Roman (German Edition)

Der weiße Klang der Wellen: Roman (German Edition)

Titel: Der weiße Klang der Wellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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Linda am nächsten Tag in einem weißen Buick
Skylark-Cabrio ab, dessen Ledersitze die gleiche Farbe wie der Lippenstift
ihrer Tante haben. Es ist Sonntag, und Linda war pflichtgetreu mit den Cousins
und Cousinen in der Kirche. Trotz des Feiertags trägt Linda Latzhosen. Thomas
hat das gleiche Jackett an wie am Abend zuvor, aber gute Hosen, wie sie ein
Junge in der Schule tragen würde.
    »Ich hab kein Kopftuch dabei«, sagt sie. »Ich wußte nicht, daß du
ein Cabrio fährst.«
    »Möchtest du zurückgehen und dir eins holen?«
    »Nein«, sagt sie.
    Sie bleiben einen Moment im Wagen sitzen, bevor er den Motor anläßt.
Jeder scheint dem anderen etwas sagen zu wollen, aber eine Zeitlang spricht
keiner von ihnen.
    »Bist du ausgeschimpft worden?« fragt Thomas schließlich.
    »Ich bin schief angesehen worden«, sagt sie und lächelt.
    »Möchtest du eine Spritztour machen?«
    »Wohin?«
    »Irgendwohin. Einfach eine kleine Spazierfahrt.«
    »Sicher«, sagt sie.
    Der Abstand im Wagen zwischen Thomas und Linda ist riesig. Sie
betrachtet das verchromte Armaturenbrett, die Knöpfe, auf denen Licht und Scheibenwischer,
Zigarettenanzünder und Zubehör stehen. Was
verbirgt sich wohl hinter Zubehör, fragt sie sich. Thomas dreht das Radio an,
und sie hören irgendeine abgedroschene Schlagermusik. Für sie klingt alles
irgendwie falsch, als hätte sich Ricky Nelson in ein Kammerorchester verirrt.
Thomas dreht die Musik sofort ab.
    »Ich höre nicht immer Radio beim Fahren«, sagt er. »Ich brauche Zeit
zum Nachdenken.«
    »Ich auch«, sagt sie. »Zeit zum Nachdenken, meine ich.«
    Sie hat die Hände in die Taschen ihres Armeemantels gesteckt. Wenn
sie den Mantel nicht anhätte, würde sie sich auf ihre Hände setzen.
    Es gefällt ihr, mit offenem Verdeck zu fahren, auch wenn ihr das
Haar in die Augen weht und sie weiß, daß es durcheinander und verfilzt sein
wird, wenn sie aussteigt. Als der Freund ihrer Tante noch da war und sie einen
Wagen hatten, mußte sie sich regelmäßig mit ihren Cousinen auf einen Rücksitz
quetschen, der für drei gedacht war. An Regentagen waren die Fenster fest
geschlossen, und ihre Tante rauchte. Beim bloßen Gedanken daran bekommt Linda
schon Kopfschmerzen.
    Während der Fahrt fällt Linda auf, daß die Farben des Wassers und
des Himmels intensiver sind als am Tag zuvor. Das Gleißen des Sonnenlichts auf
dem Meer schmerzt in den Augen. Es ist ein herrliches Juwel aus einer Million
Diamanten.
    Klugerweise schlägt Thomas eine Richtung ein, die aus der Gegend
wegführt, in der Linda wohnt. Klugerweise macht er sie nicht auf sein Haus in
Allerton Hill aufmerksam.
    »Hat man dich weggeschickt?« fragt er sie, als sie nach Samoset
einbiegen.
    »Ja.«
    »Hast du ein Baby bekommen?«
    Sie ist verblüfft von der Dreistigkeit des Jungen, aber gleichzeitig
amüsiert. Vielleicht hätte sie das ganze Jahr ohne eine einzige direkte Frage
verbringen und lernen können, mit bösen Blicken und üblen Unterstellungen zu
leben.
    »Nein«, antwortet sie.
    »Mir wär das egal«, sagt er. Er verbessert sich. »Also, mir wär’s
nicht egal, weil es dir passiert wäre, aber ich hätte dich deswegen nicht
weniger gern. Ich pfeife auf guten Ruf.«
    »Warum magst du mich?« fragt sie.
    »Mir hat die Art gefallen, wie du ins Klassenzimmer gekommen bist«,
sagt er. »Am ersten Tag. Du wolltest dir irgendeinen Anschein geben – wolltest
cool wirken –, aber ich hab gesehen, daß du es nicht warst. Daß du
wahrscheinlich jemand bist, den andere ausnutzen können.« Er denkt eine Weile
nach. »Jetzt bin ich mir dessen nicht mehr so sicher.«
    »Was hat dich dazu gebracht, deine Meinung zu ändern?«
    »Du. Letzte Nacht. Als du ins Wasser gesprungen bist.«
    »Als ich reingetaucht bin.«
    »Als du reingetaucht bist. Das hast du für dich selbst getan, nicht
wahr?«
    Sie schweigt. Trotz des großen Abstands zwischen ihnen kann sie den
Jungen riechen – diesen Duft nach warmem Toast, und noch etwas. Nach einem
frischgebügelten Hemd natürlich.
    »Ich bin eine gefallene Frau«, sagt Linda nur teilweise scherzend.
    »Magdalena«, sagt er, wendet sich ihr zu und steuert nur noch mit
einer Hand.
    »Das war der Name des Heims«, sagt sie.
    »Wirklich?«
    »Sie heißen immer Magdalena.«
    »Du bist katholisch.«
    »Ja. Du nicht?«
    »Nein.«
    »Woher weißt du über Magdalena Bescheid?«
    »Jeder weiß über Magdalena Bescheid«, sagt er.
    »Wirklich? Ich dachte immer, es sei eine speziell katholische Idee.«
    »Gehst du

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